Reichel Mathematik 6, Schulbuch

157 4.8 Rückblick und Ausblick 4 Rückblick und Ausblick In diesem Kapitel haben wir uns mit Grenzwerten (Limes) beschäftigt, eine Begriffsbildung, die für die ganze Mathematik zentral ist und sie seit rund zweieinhalb Jahrtausenden beschäftigt. Sicherlich kennst du das griechisch-antike Paradoxon von „ACHILL und der Schildkröte“. ACHILL, ein durchtrainier- ter Kämpfer und Sportler plant einen Wettlauf mit einer Schildkröte. Da er – sagen wir – hundertmal schneller läuft, gibt er ihr einen Vorsprung von 100 m . Nachdem er 100 m gelaufen ist, liegt die Schildkröte nur mehr einen Meter vor ihm. Nachdem er diesen 1 m gelaufen ist, liegt sie aber noch 0,01 m vor ihm. Und so geht das weiter: Im- mer wenn ACHILL den vorigen Vorsprung durchlaufen hat, liegt die Schildkröte ein Hundertstel dieses (vorigen) Vor- sprungs wieder vor ACHILL. Denkt man sich diesen Prozess (besser: diese Überlegung) beliebig oft fortgesetzt, so erkennt man, dass die Schildkröte immer ein (wenn auch winziges) Stück vor ACHILL liegt. Er holt sie also nie ein!?? Veranschauøiche den Sachverhaøt mit einer Skizze der Wegstrecken und øöse das Paradoxon, indem du mit Hiøfe der geometrischen Reihe berechnest, wo ACHILL die Schiødkröte einhoøt! Viele hunderte Jahre wurden so Grenzwerte mehr oder minder intuitiv und („bloß“) anschaulich behan- delt – mit den Problemen, die wir gerade geschildert haben. Erst im 19. Jahrhundert erfuhr der Grenz- wertbegriff – insbesondere durch A. L. CAUCHY und K. WEIERSTRASS – jene Präzision, die wir schließ- lich in diesem Kapitel erreicht haben. Sie war mit eine Voraussetzung für die rasante Entwicklung der Technik und der Naturwissenschaften im 19. und 20. Jahrhundert. In der 7. und 8. Klasse werden wir die Geschichte des Grenzwertbegriffes und seiner Auswirkungen genauer kennen lernen. Vorerst nennen wir nur zwei „Stichworte“, die euch neugierig machen sollen und die die wesentliche Säule der so ge- nannten höheren Mathematik bilden: Differentialrechnung und Integralrechnung ! Rückblickend merken wir uns, dass der Grenzwertbegriff (Konvergenzbegriff) sowohl praktische als auch theoretische Anwendungen hat: Dazu zählt zB die Berechnung des Umfanges und Inhalts krummlinig be- grenzter Flächenstücke wie etwa des Kreises wie auch krummflächig begrenzter Volumina . Kurz gesagt: die Herleitung von Formeln für solche Gebilde. Genauer: die Definition , was man überhaupt unter der Länge ei- ner krummen Linie, dem Flächeninhalt innerhalb einer krummen Linie und dem Rauminhalt innerhalb einer krummen Fläche verstehen will und kann. Auch wenn wir darauf erst in der 8. Klasse genauer eingehen wer- den, wollen wir im folgenden Exkurs die Problematik schon andeuten. Auch die Definition und Berechnung irrationaler Zahlen fußt auf konver- genten Folgen, wie wir das etwa bei der (maschinellen) Berechnung von Wurzeln (HERON‘sches Verfahren), oder der Kreiszahl π gesehen haben. Das gesamte Gebäude der reellen Zahlen kann auf dem Folgenbegriff aufgebaut werden. Gerade durch die rasante Entwicklung der Computer und der Informatik sind die – auf konvergenten Folgen aufbauenden – Näherungsverfahren in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Rekursiv defi- nierte Folgen und deren Grenzwerte sind das „Um und Auf“ der modernen numerischen Mathematik und der mathematischen Informatik. 4.8 Fig. 4.20 F 4.20 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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