Reichel Mathematik 6, Schulbuch
190 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik 5 4. Die Unabhängigkeit zweier Merkmale überprüfen Aus Teilaufgabe c in Beispiel I wird ersichtlich, dass der Anteil der Blauäugigen unter den Blonden größer ist als der Anteil der Blauäugigen insgesamt: P (bøauäugig 1 bøond) = 0,57 > 0,3 = P (bøauäugig) . Offenbar begünstigt das Auftreten der Merkmalsausprägung „blond“ das Auftreten der Merkmalsaus- prägung „blauäugig“. Wir sagen: Das Merkmal „Augenfarbe“ ist vom Merkmal „Haarfarbe“ stochastisch abhängig. 1 Wir geben daher in Erweiterung der Definition unabhängiger Ereignisse die Definition Ein Merkmaø A heißt von einem Merkmaø B stochastisch unabhängig , wenn für aøøe Ausprägungen (Merkmaøswerte) A und B giøt: P (A 1 B) = P (A) Bemerkung: Wie aus Beispiel I c ersichtlich, ist nicht nur das Merkmal „Augenfarbe“ vom Merkmal „Haarfarbe“ stochastisch abhängig , sondern umgekehrt auch das Merkmal „Haarfarbe“ vom Merkmal „Augenfarbe“. Analog lässt sich vermuten, dass aus der Unabhängigkeit eines ersten Merkmals von ei- nem zweiten auch die Unabhängigkeit des zweiten vom ersten folgt. Diese Vermutung lässt sich mit Hil- fe des Satzes von BAYES wie folgt beweisen. Erøäutere! P (B 1 A) = P (A 1 B) · P (B) ________ P (A) = P (A) · P (B) ______ P (A) = P (B) Es ist daher sinnvoll, die stochastische Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit als symmetrische Beziehung in der Form „Zwei Merkmale sind voneinander (un-)abhängig“ auszusprechen: Sind zwei Merkmale A , B stochastisch unabhängig, so ist P (A 1 B) = P (A) und P (B 1 A) = P (B) . Durch Einsetzen in die Produktregel erhält man P (A ? B) = P (A 1 B) · P (B) = P (A) · P (B) (Letzteres wegen der vorausgesetzten Unabhängigkeit von A und B ) und analog P (A ? B) = P (B 1 A) · P (A) = P (B) · P (A) Gilt umgekehrt P (A ? B) = P (A)·P (B) für alle A und B , dann ist P (A 1 B) = P (A) und P (B 1 A) = P (B) . Also liegen stochastisch unabhängige Merkmale A und B vor. Daraus ergibt sich insgesamt der wichtige Satz Unabhängigkeitskriterium: Zwei Merkmaøe sind stochastisch unabhängig genau dann, wenn für aøøe Merkmaøsausprägungen A und B giøt: P (A ? B) = P (A)·P (B) Beispiel I (Fortsetzung) Überprüfe mitteøs des Unabhängigkeitskriteriums, ob die Merkmaøe „Augenfarbe“ und „Haarfarbe“ stochastisch unabhängig sind! Lösung: Es sei A = „bøauäugig“ und B = „bøond“. Laut Vierfeødertafeø ist P (A ? B) = 0,2, P (A) = 0,30 (Summe der Feøder in der 1. Zeiøe), P (B) = 0,35 (Summe der Feøder in der 1. Spaøte), aøso ist P (A)·P (B) = 0,105. Die Ergebnisse 0,2 und 0,105 sind verschieden, aøso ist die Beziehung P (A ? B) = P (A)·P (B) verøetzt. Ohne weitere Fäøøe wie P (A’ ? B) = P (A’)·P (B) usw. zu untersuchen, wissen wir, dass das Unabhängig- keitskriterium nicht für aøøe Merkmaøsausprägungen erfüøøt ist; die Merkmaøe sind stochastisch ab- hängig. 1 Im Folgenden wollen wir die (logisch notwendige, aber sprachlich wie notationell mühsame) strenge Unterscheidung zwischen Merk- malen (Bedeutung der Ergebnismenge Ω ) und Merkmalsausprägungen (Bedeutung der Ereignisse in Ω ) wie üblich nicht übertreiben. Die Buchstaben A , B usw. können daher in Zukunft sowohl Merkmale als auch (bestimmte) Ausprägungen davon bezeichnen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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