Reichel Mathematik 6, Schulbuch
204 Exponential- und Logarithmusfunktion 6 EULER’sche Zahl e und natürliche Exponentialfunktion 1. Die Zahl e kennen Im Folgenden wollen wir uns mit der Verzinsung eines Kapitals beschäftigen. Gegeben sei das Kapital K (in € ), das zu 100% jährlich verzinst wird; dh. der Zinsfuß ist 100% 1 . Nach einem Jahr hat man dann doppelt so viel wie zu Beginn des Jahres, also 2K . Frau Helga Schlaumeier ist das noch zu wenig und sie überlegt sich Folgendes: Angenommen, sie lässt sich das Geld mit den Zinsen bereits nach einem halben Jahr von der Bank wieder auszahlen, dann er- hält sie K + K/2 = 3K/2 . Dieses Geld zahlt sie sofort wieder ein, dann erhält sie nach einem weiteren halben Jahr an Zinsen: 3K __ 2 · 1 _ 2 = 3K __ 4 , also insgesamt 3K __ 2 + 3K __ 4 = 9K __ 4 = 2,25·K Was erhäøt sie, wenn sie monatøich das Geød behebt und sofort wieder einzahøt? Nach dem 1. Monat K 1 = K + 1 __ 12 ·K = K· “ 1 + 1 __ 12 § Nach dem 2. Monat K 2 = K 1 + 1 __ 12 ·K 1 = K 1 · “ 1 + 1 __ 12 § = K· “ 1 + 1 __ 12 § 2 … Nach dem 12. Monat: K 12 = K· “ 1 + 1 __ 12 § 12 ≈ 2,613·K Ebenso leicht lässt sich berechnen, was sich (theoretisch 2 ) bei einer täglichen Behebung und Einzah- lung ergäbe: K 365 = K· “ 1 + 1 ___ 365 § 365 ≈ 2,7145·K Die Steigerung von 2,613 bei monatlicher Einzahlung auf 2,7145 bei täglicher Einzahlung ist eigentlich gering. Es ist daher zu vermuten, dass sich auch bei noch weiteren Steigerungen bis schließlich zu einer „augenblicklichen“ – man sagt stetigen – Ein- und Auszahlung kein sehr viel höherer Wert als 2,71 er- gibt. Mathematisch ausgedrückt stellt sich die Frage, ob der Grenzwert øim n ¥ • “ 1 + 1 _ n § n existiert, und wenn ja, wie groß er ist. Falls er existiert (wir zeigen dies im Folgenden), lässt sich mit dem Taschenrechner unschwer feststellen, wie groß er ungefähr ist. Wie? Tippe immer größere Zahøen für n ein und vergøeiche die Ergebnisse ! Definition Die Zahø e = øim n ¥ • “ 1 + 1 _ n § n = 2,718281828459045… heißt EULER’sche Zahø . Sie gibt an, auf das Wievieøfache ein Kapitaø bei einem jährøichen Zinssatz von 100% bei stetiger Verzinsung in einem Jahr anwächst. Bemerkung: Leonhard EULER (1707–1783), einer der bedeutendsten Mathematiker, veröffentlichte 1748 eine umfassende Darstellung über die Bedeutung dieser Zahl. Man kann zeigen, dass e – so wie π – ei- ne irrationale und sogar transzendente Zahl ist, dh. sie lässt sich nicht durch Wurzelausdrücke darstellen. 1 Von 100% , also von einer Kapitalverdopplung, wird hier deswegen ausgegangen, da die nun folgenden Überlegungen mit dieser An- nahme einfacher zu rechnen sind. So hohe Prozentsätze für die Verzinsung eines Guthabens wird in Österreich wohl niemand zahlen; anders hingegen war und ist es in Staaten mit extrem hohen Inflationsraten. 2 Diese Überlegung ist natürlich nur theoretischer Natur, weil die Verzinsungszeiträume bei der Bank nicht beliebig klein sind. 6.2 A 850 150501-204 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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