Reichel Mathematik 6, Schulbuch

59 1.15 Rückblick und Ausblick 1 Erst in der Maßgeometrie „erklärt“ man, was „Distanzen“, „Flächen- und Rauminhalte“ sowie „Winkel“ sind und wie sie sich durch Zahlen beschreiben lassen. Insofern baut die Maßgeometrie auf der Lage- geometrie auf und ist „gehaltvoller“ als diese. Diese Zweistufigkeit war auch der Grund für die oftmalige Zweiteilung der Unterkapitel in Lage- und in Maßaufgaben. Diese Zweistufigkeit spiegelt sich auch in den benötigten Vektoroperationen wider. So genügt(e) es für Lageaufgaben , die Vektoraddition (Vektorsubtraktion) und die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar samt den zugehörigen Rechenregeln zur Verfügung zu haben – anders gesagt: das Bilden von Linearkombinationen und Lösen der zugehörigen Vektorgleichungen zu beherrrschen. Zum Lösen von Maßaufgaben hingegen benötigte man (mindestens) die Distanzformel, sowie (vorteil- hafterweise) die Vektor-Winkel-Formel (VW-Formel), die Vektor-Projektions-Formel (VP-Formel), die vektorielle Flächenformel (VF-Formel) usw. Da in diesen Formeln gewisse Ausdrücke und Operationen immer wieder auftreten, hat man für diese eigene Bezeichnungen und „Hantierungsregeln“ formuliert. Dies führte zum skalaren Produkt bzw. zum vektoriellen Produkt von Vektoren. Diese Vektorprodukte (von denen es weitere wie zB das Spatprodukt gibt) bilden jedenfalls eine algebraische Erweiterung je- ner ursprünglichen Struktur, die man Vektorraum nennt. Bisher haben wir diese Erweiterung für jedes der beiden Produkte getrennt voneinander durchgeführt. Was zu ergänzen bleibt, sind die Regeln für das Verknüpfen dieser beiden „Produkte“: 1) ( _ À a × _ À b)·( _ À c × _ À d) = ( _ À a· _ À c)·( _ À b· _ À d) – ( _ À a· _ À d)·( _ À b· _ À c) 2) _ À a × ( _ À b × _ À c) = ‒( _ À a· _ À b)· _ À c + ( _ À a· _ À c)· _ À b 3) ( _ À a × _ À b) 2 + ( _ À a· _ À b) 2 = _ À a 2 · _ À b 2 Besonders bemerkenswert ist die Beziehung 3), die so genannte LAGRANGE’sche Identität 1 , die we- gen ! _ À a × _ À b ! = ! _ À a ! · ! _ À b ! ·sin ¼ ( _ À a, _ À b) und wegen _ À a· _ À b = ! _ À a ! · ! _ À b ! ·cos ¼ ( _ À a, _ À b) (vgl. die VW-Formel) im Grunde nichts anderes darstellt als die uns schon aus der 5. Klasse bekannte trigonometrische Grundbeziehung sin 2 φ + cos 2 φ = 1 und im Übrigen nur der Spezialfall von Beziehung 1) für _ À c = _ À a und _ À d = _ À b ist. In diesem Sinn sind die Vektorprodukte also „nichts Neues“ und schlussendlich „entbehrlich“ – wären sie nicht für die Formulierung von Problemen und Sachverhalten sowie beweistechnisch so ungeheuer praktisch. Analog ist die VP-Formel „entbehrlich“, stellt sie doch „nur“ die vektorielle Formulierung eines Spezial- falls des folgenden allgemeineren Satzes dar: Satz Projektionssatz: Bei Normaøprojektion „verkürzen“ sich Strecken s bzw. ebene Føächen F mit dem Cosinus jenes Winkeøs φ s bzw. φ F , den sie mit dem Biød s’ bzw. F’ einschøießen. Aus dem Satz wird eine Beschränkung sichtbar, die wir uns bisher (stillschweigend) auferlegt haben: die Beschränkung auf den R 2 und R 3 und auf deren lineare Teilräume . Sowohl Geraden (Strecken) als auch Ebenen (Dreiecksgebiete) wurden ja durch lineare Gleichungen beschrieben. Und auch bei Län- gen-, Flächen- und Volumsberechnungen haben wir uns auf Polygone (Vieleckslinien) sowie Polyeder (Vielflächner) beschränkt . 1 J. L. LAGRANGE (1736–1813), italienischer Mathematiker, Professor in Turin, Berlin und Paris S 24 s φ φ s · cos s s F F F I s I π φ φ S 28 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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