Reichel Mathematik 6, Schulbuch

67 1 schaftliches Werk zur Mathematik. Sein Reiz be- steht unter anderem darin, ständig den Vergleich zwischen den Verhältnissen im 2-dimensionalen Raum und denen des 3-dimensionalen Raumes he- rauszufordern, kurz: das Denken in Analogien. Und diese sind, um den ös- terreichischen Nobelpreis- träger Konrad LORENZ (1903–1989) zu zitieren, letztendlich die Quelle al- ler Erkenntnis. Nützen wir diese Quelle zur Erkun- dung des 4-dimensionalen „Würfels“ , des so ge- nannten Hyperkubus. Im „Flachland“ ist ein Kubus ein Quadrat, im „Line- arland“ (vgl. den Exkurs „Gibt es eine eindimensi- onale Geometrie?“ Buch 5. Kl. S. 264) eine Stre- cke . Den Übergang vom 1-dimensionalen zum 2-dimensionalen Kubus kann man sich durch eine Schiebung der Strecke um ihre Länge in der zu ihr orthogonalen Richtung vorstellen . Bei Schiebung des so entstandenen Quadrates um seine Seiten- länge in der zur Trägerebene des Quadrates ortho- gonalen Richtung wird ein Würfel überstrichen, al- so ein 3-dimensionaler Kubus . Nicht mehr vorstellen, dessen ungeachtet aber (rechnerisch und graphisch) durchführen können wir die Ver- schiebung des 3-dimensionalen Kubus um seine Seitenlänge in der zum Trägerraum des Würfels orthogonalen Richtung. Fig. 2a Fig. 2b Fig. 2c Fig. 2d z y x y x x z y t x So wie Fig. 2c das 2-dimensionale „Foto“ eines 3-dimensionalen Würfels ist, so ist Fig. 2d das 2-di- mensionale „Foto“ eines 4-dimensionalen Würfels. Auch wenn daraus die „Hyper-Räumlichkeit“ schwer erfahrbar ist, so bietet das Bild doch eine Menge Information. So kann man darin direkt ab- zählen (und zur Kontrolle anhand des Entstehungs- prozesses überlegen), dass ein Hyperkubus aus 16 Ecken, 32 Kanten, 24 Quadraten und 8 Würfeln be- steht. Mit anderen Worten: Ein Hyperkubus besteht aus 32 1-dimensionalen, 24 2-dimensionalen und 8 3-dimensionalen Kuben. Folgerichtig könnte man daher die Eckpunkte als 0-dimensionale Kuben be- zeichnen – auch wenn die Vorstellung von kubus- förmigen Punkten zunächst ein wenig eigenartig klingen mag. Ebenso ungewöhnlich ist die Vorstellung, dass die „Außenhaut“ eines Hyper- kubus (das Analog zur „Oberfläche“ eines ge- wöhnlichen Würfels) von 8 Würfeln gebildet wird, die man (analog zum Netz ei- nes gewöhnlichen Würfels) auf mannigfache Art (statt in den 2-dimensionalen Raum) in den 3-dimensio- nalen Raum „abwickeln“ kann. Eine dieser Möglich- keiten hat der berühmte Maler Salvator DALI in sei- nem Christusgemälde „Cor- pus Hyperkubus“ (1954) dargestellt. Dieses Zusammentreffen zwischen Ma- thematik und Kunst ist kein einzelnes und kein zu- fälliges. Mathematik ist nicht bloß „Rechnen“. Wie die Kunst ist Mathematik kreativ, innovativ und voll Phantasie und damit ein wesentlicher und unverzichtbarer Teil unserer Kultur und un- seres kulturellen Fortschritts! Fig. 1 F 1 F 2a F 2b F 2c Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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