Vielfach Deutsch 4, Schulbuch
93 4 Erzählende Texte interpretierend wiedergeben Zuhören/Sprechen Lesen Schreiben Grammatik/Rechtschreibung Erzählende Texte interpretieren Um einen erzählenden Text zu verstehen, – musst du die handelnden Personen genau kennen lernen und oft auch über die Gründe ihres Handelns nachdenken. – musst du dich in Ort und Zeit der Handlung hineinversetzen und darfst nicht von deinen persönlichen Erfahrungen ausgehen. Geschichten können ja auch in fernen Ländern und zu einem anderen geschichtlichen Zeitpunkt spielen. Lest den Erzählanfang und besprecht zu zweit, was darin nicht zu eurer alltäglichen Erfahrung passt. Macht Notizen in euren Heften. Vor ungefähr vier Wochen hat es angefangen. Ich sollte in der Vorstadt ein Pfund Nudeln abholen; das hatte uns ein Bekannter versprochen. Für das Verständnis dieses Erzähltextes ist es wichtig zu wissen, dass er nicht im heutigen Österreich spielt, sondern im Deutschland des Jahres 1940: Nudeln waren in der damaligen Kriegszeit, wie vieles andere, nur schwer erhältlich. Lies den ersten Teil des Textes „Bänke“. Beantworte anschließend die folgenden Fragen in Stichworten in deinem Heft. 1 WER sind die beiden handelnden Personen? 2 WIE beginnt ihre Beziehung? 3 WIE kommt es dann zu weiteren Begegnungen? 4 An welchen Details kann man erkennen, dass der Text während des Krieges spielt? 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Bänke Vor ungefähr vier Wochen hat es angefangen. Ich sollte in der Vorstadt ein Pfund Nudeln abholen; das hatte uns ein Bekannter versprochen. Ich bin an der alten Kirche vorbeigegangen und dann die Straße mit den Bäumen entlang, wo die Straßenbahn links abbiegt. Die Bäume, das sind alles Linden, und sie rochen so stark, weil sie gerade blühten. Bis zu dem roten Ziegelbau war ich schon gekommen. Ich hatte gar nicht auf den Weg Acht gegeben – nur immer vor meine Füße geguckt. Da sah ich auf einmal vor mir ein Mädchen. Sie hatte ganz kleine Füße. Lange Zeit bin ich hinter ihr hergelaufen. Ich habe mir genau angeschaut, wie sie die Füße setzt und wie sie das schwere Netz trägt. Äpfel waren in dem Netz, von der schrumpeligen Sorte. Ich hätte gern einen gehabt. Wenn einer herausfällt, dachte ich, lässt du ihn verschwinden. Wie ich mir das noch so vorstelle, macht das Netz auf einmal „knack“ und der ganze Segen rollt über die Straße. Das Mädchen dreht sich herum, schlägt die Hände vor den Mund und sagt: „So ein Mist-Kriegsnetz!“ Ich habe ihr dann geholfen, die Äpfel aufzuheben. Wir haben sie in das Netz gelegt. Aber das Netz ließ sich nicht richtig flicken. Wir haben es dann zusammen bis zu ihr nach Hause getragen. Sie heißt Helga. Ihr Vater ist Soldat. Sie arbeitet in einem Kindergarten. An ihrem freien Tag war sie auf das Land gefahren und hatte selbst gestrickte Topflappen gegen die Äpfel eingetauscht. Ü11 Tipp Hier sind noch weitere Infor- mationen, die du zum Ver- ständnis des Textes brauchst: Der Text, dessen Anfang du eben gelesen hast, ist ein Kapitel aus einem Buch, das von der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland handelt. Hauptfigur ist der jüdische Bub Friedrich, der mit einem gleichaltrigen deut- schen Freund im selben Haus wohnt. Im folgenden Ab- schnitt erzählt ihm Friedrich von der Begegnung mit einem deutschen Mädchen. Ü12 Buchtipp Hans Peter Richter: Damals war es Friedrich. dtv pocket, München. Zwei Buben, einer von ihnen Jude, sind Freunde. Als die Nationalsozialisten an die Macht kommen und die Ver- folgung der Juden einsetzt, wird das Leben für sie immer schwieriger. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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