Reichel Mathematik 7, Schulbuch

265 6 Der Fond hat im Laufe der vier Jahre insgesamt we- der gewonnen noch verloren (sieht man vom Verlust durch Inflation und Gebühren für die Bank einmal ab). Das falsche Ergebnis 46% rührt daher, dass sich die Prozentsätze auf jeweils andere Grundwer- te beziehen. Erøäutere ! Es ist daher mathematisch unzulässig, als „Durchschnittswert“ das arithmeti- sche Mittel der Prozentwerte zu verwenden. Korrekt wäre die Verwendung des geometrischen Mittels (vgl. Buch 6. Kl. S. 147), was zum richtigen Ergebnis 0% führt: y = 4 9 ______________________________ (1 +100%)·(1 – 50%)·(1 +200%)·(1 – 66, _ 6%) = = 4 9 __________ 2·0,5·3·(1/3) = 4 9 _ 1 = 1 = 1 + 0% Dennoch könnte eine geschickte Werbeagentur die Situation in rosigem Licht erscheinen lassen, wenn sie die Entwicklung wie in Fig. 2 darstellt. Die „Abrechnung“ des Fonds ge- schieht nun nicht mehr zum Jah- resanfang, sondern zur Mitte des Kalenderjahres. (Das ist in der Wirtschaft nichts Ungewöhnli- ches und daher unverdächtig. In vielen Firmen ist ja das Bilanz- jahr gegenüber dem Kalender- jahr verschoben.) Diese Verschie- bung hat den netten Effekt, dass die Kurve aus Fig. 1 nun „geglät- tet“ und monoton wachsend erscheint. Erøäutere! Allerdings sind die waagrechten Teilstücke in Fig. 2 Ausdruck von Kursstagnation und laden daher nicht besonders zum Kauf ein. Wieder weiß die Agentur Rat. Sie bastelt aus den Kursen zu den Bilanzjahres-Mitten einen (hier li- nearen) Aufwärts-Trend . Erøäutere! Jedoch ist der Wachs- tums-Trend zu wenig au- genfällig, um gleich zum Kauf anzure- gen. Auch dem könnte die mathe- matisch ver- sierte Wer- beagentur durch So- ckeln des Diagramms und geeigne- te Maßstabs- änderung auf der x - und y -Achse nachhelfen . Und setzt sie noch den (völlig unverbindlichen) aufwärts gerichteten Pfeil dazu, so hat sie die interessierte Person schon fast überredet! Ist es nicht kurios, wie man aus einem letztlich stag- nierenden Fond einen dynamisch wachsenden Fond zaubern kann? Ist es nicht bedenklich, dass man sich der Suggestivkraft des Dia- gramms in Fig. 4 meist erst nach einem zweiten, genaueren Hin- schauen auf die Skalierungen der Achsen entziehen kann? An sich ist es nichts Verwerfli- ches, jemanden zum Kauf eines Fonds „überreden“ zu wollen. Da in einem Fond viele ver- schiedene Aktien mit ganz un- terschiedlicher Performance vereinigt sind, ergibt sich für den Käufer jedenfalls eine Risikoverminderung. Die Gefahr eines Total- verlustes des eingesetzten Kapitals ist sehr viel ge- ringer als bei Kauf von Aktien eines einzigen Un- ternehmens. Aber kein Vorteil ohne Nachteil. Denn umgekehrt ist auch die Chance auf hohe Kursge- winne für Fonds geringer als für einzelne Aktien. Erøäutere! Aktien und Fonds haben also viel mit Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu tun. Dabei geht es um sehr viel Geld. Die Versuchung, hier Mathematik in (be-)trügerischer oder jedenfalls in manipulieren- der Weise einzusetzen, ist dementsprechend groß. Aber: Je mehr wir über Mathematik wissen, um- so kleiner ist die Gefahr, „Betrügereien“ aufzu- sitzen. Fig. 2 y x 100 0 1 F 3 Fig. 3 y x 100 0 1 Fig. 4 y x 150 1 4 200 F 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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