Reichel Mathematik 7, Schulbuch

32 Komplexe Zahlen und algebraische Gleichungen 1 Rückblick und Ausblick 1. Wissen, inwieweit Zahlenbereichserweiterungen mit C einen Abschluss finden Durch die Einführung der komplexen Zahlen haben wir den Bereich der reellen Zahlen erweitert. Durch die Erfindung (oder „Entdeckung“ 1 ) einer (neuen) Zahl i , die i 2 = ‒1 erfüllt und daher nicht reell sein kann, entstehen neue Zahlen a + bi ( a , b * R ), die komplexen Zahlen. Die Menge der komplexen Zahlen enthält – wie wir nunmehr wissen – die reellen Zahlen als Spezialfälle, und man kann im Wesentlichen mit ihnen genauso rechnen wie mit den reellen Zahlen. Aber – und dies war ja schließlich der Zweck der Zahlenbereichs- erweiterung: Im neuen, „größeren“ Zahlenbereich C lassen sich nun Probleme lösen, die man in R nicht lösen konnte. Man kann zB Wurzeln aus negativen reellen Zahlen ziehen und jede algebrai- sche Gleichung p (x) = 0 hat eine Lösung! Tatsächlich hast du seit der Volksschule ja schon mehrere Zahlen- bereichserweiterungen kennen gelernt: Natürliche Zahlen ¥ Ganze Zahlen ¥ Rationale Zahlen ¥ Reelle Zahlen! Stets erfolgten solche Zahlenbereichserweiterungen, um gewisse Probleme lösen zu kön- nen, die im jeweils „alten“ Zahlenbereich unlösbar waren . Nun könntest du fragen: Kann man auch C zu einem noch größeren Zahlenbereich erweitern ? Die Antwort ist überraschend: Sie lautet ja! Man kann C zu den so genannten Quaternionen der Form q = a + b·i + c·j + d·k erweitern, wo nunmehr drei „imaginäre“ Einheiten i , j und k einer reellen Zahl a hinzugefügt werden oder – noch weitergehend – zu den so genannten Oktaven , wo es sogar sieben „imaginäre“ Einheiten sind. Aber es gibt keinen größeren Zahlenbereich als C , in dem alle Rechenregeln wie in R oder C gelten würden. (Allerdings haben wir dort die mit R verträgliche Ordnung „verloren“ .) Bei jeder weiteren Zahlenbereichserweiterung „verliert“ man stets gewisse Rechenregeln bzw. Re- chengesetze (wie zB das Kommutativgesetz der Multiplikation: es gibt Zahlen a und b bei den Quater- nionen, für die nicht a·b = b·a gilt)! 2. Zweck der Erweiterung G = C für algebraische Gleichungen kennen Der Zahlenbereich C stellt aber noch in anderer Hinsicht einen „Abschluss“ dar. Wie wir wissen, muss eine algebraische Gleichung p (x) = a n x n + a n – 1 x n – 1 + … + a 1 x + a 0 = 0 mit reellen Koeffizienten a i und a n ≠ 0 in R nicht lösbar sein (zB x 2 + 1 = 0 ). In C aber ist jede derartige Gleichung lösbar (Fundamental- satz der Algebra); wir sagen: C ist algebraisch abgeschlossen . Mehr noch: Man kann jedes Polynom p (x) als Produkt seiner „Wurzelfaktoren“ (Linearfaktoren) schreiben: p (x) = a n ·(x – x 1 )·(x – x 2 )·…·(x – x n ) . Dabei sind die x i die Nullstellen des Polynoms p (x) , also die Lösungen der Gleichung p (x) = 0 . Jedes Po- lynom p (x) n-ten Grades hat also n (komplexe) Nullstellen x 1 , x 2 , x 3 , … , x n , wobei gewisse x i allerdings mehrfach auftreten können. Diese x i sind dann eben so genannte mehrfache Nullstellen . All das Gesagte gilt übrigens nicht nur für Polynome p (x) = a n x n + a n – 1 x n – 1 + … + a 1 x + a 0 mit reellen Ko- effizienten a i ( 0 ª i ª n ), sondern ganz genauso, wenn a i * C , also zB für p (x) = x 2 + (1 – i)·x + i . Diese Gleichung kann man exakt wie im Fall reeller Koeffizienten a i nach der „Kleinen Lösungsformel“ oder der „Großen Lösungsformel“ lösen. Begründe! x 2 + (1 – i)·x – i = 0 w x 1,2 = ‒ 1 – i ___ 2 + 9 ______ (1 – i) 2 ____ 4 + i w x 1 = i; x 2 = ‒1 1 Die Frage, ob die Gegenstände der Mathematik „entdeckt“ oder „erfunden“ wurden (bzw. werden), gehört zu den interessantesten Fra- gen der Philosophie und wurde von vielen Philosophen seit mehr als 2500 Jahren immer wieder behandelt. Kannst du erkøären, worin der Unterschied bestehen könnte? 1.7 Fig. 1.8 ? N Z Q R C A 2 F 1.8 A 43 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=