Reichel Mathematik 7, Schulbuch
51 2.2 Das Problem der Momentangeschwindigkeit 2 Wenn du einen fliegenden Pfeil betrachtest, so steht er im Moment der Betrachtung still. (Ein „Moment“ hat ja die „Zeit-Dauer“ 0 , sodass keine Zeit für eine Ortsänderung vorhanden ist.) Da dies für jeden Mo- ment gilt, kann sich der Pfeil niemals weiterbewegen, obwohl er augenscheinlich fliegt! Diskutiert den Gedankengang! Mit Hilfe der Mathematik lässt sich das Paradoxon wie folgt aufklären: Nehmen wir zunächst einmal an, dass sich der Pfeil gleichförmig , also mit einer gewissen konstanten Geschwindigkeit bewegt. Für einen zB mit 50 m/s fliegenden Pfeil bedeutet das zurückgelegte Weglänge Δ s benötigte Zeit Δ t Geschwindigkeit Δ s/ Δ t 50 m 1 s 50 m/1 s = 50 m/s 5 m 0,1 s 5 m/0,1 s = 50 m/s 0,5 m 0,01 s 0,5 m/0,01 s = 50 m/s … … … Setze die Tabeøøe für noch kürzere Zeitintervaøøe Δ t fort! Was passiert, wenn Δ t beøiebig køein wird? Man sieht: Werden immer kürzere Zeitabschnitte Δ t zugrunde gelegt, so werden die zugehörigen Wegab- schnitte Δ s ebenfalls kürzer, aber immer so, dass der Quotient Δ s/ Δ t den Wert 50 hat. Denkt man sich die Geschwindigkeitsmessung für beliebig kurze Zeitabschnitte (und damit Wegabschnitte) durchge- führt, so nimmt der Quotient Δ s/ Δ t die Gestalt 0/0 an. Diesem zunächst unbestimmten Ausdruck kann man genau einen sinnvollen Wert zuordnen. Weøchen? Natürlich nur den Wert 50 m/s . (Es ist dies der Grenzwert von Δ s/ Δ t für Δ t ¥ 0 .) Damit kann man nicht nur einem Zeitintervall , sondern ebenso auch einem Zeitpunkt in sinnvoller Weise eine Geschwindigkeit zuordnen. Obwohl der Pfeil in 0 Sekunden 0 Meter zurücklegt, macht es Sinn ihm eine Geschwindigkeit zuzuordnen. Man sagt: Der Pfeil besitzt („im Moment“) die Momentangeschwindigkeit 50 m/s . Bei gleichförmigen Bewegungen stimmt die Momentangeschwindigkeit jeweils mit der gegebenen kons- tanten Geschwindigkeit überein und bringt somit nicht viel Neues. Wirklich benötigt wird der Begriff „Momentangeschwindigkeit“ erst für die Beschreibung einer ungleichförmigen Bewegung, wie sie ja auch beim Pfeilflug „in Wirklichkeit“ vorliegt. Die Erklärung und Präzisierung des Begriffs „Momentangeschwin- digkeit“ für ungleichförmige Bewegungen beruht auf der gleichen Idee wie oben. Grob gesprochen ermittelt man zu immer kürzeren Zeitabschnitten Δ t die zugehörigen Wegabschnitte Δ s ; ihren Quoti- enten nennt man bekanntlich die Mittlere Geschwindigkeit: Δ s __ Δ t = s (t 0 + Δ t) – s (t 0 ) _________ Δ t Falls der Quotient Δ s/ Δ t für Δ t ¥ 0 gegen einen gewissen Grenz- wert strebt, so bezeichnet man diesen als die Momentangeschwin- digkeit bei t 0 : Definition Beschreibt die Funktion f: R ¥ R , s = f (t) die Abhängigkeit des Weges s von der Zeit t und existiert für den Zeitpunkt t 0 der Grenzwert øim Δ t ¥ 0 Δ s __ Δ t = øim Δ t ¥ 0 f (t 0 + Δ t) – f (t 0 ) _________ Δ t = ds __ dt so bezeichnet man diese Zahø aøs die Momentangeschwindigkeit zum Zeitpunkt t 0 und schreibt dafür f’(t 0 ) oder auch s’(t 0 ). Bemerkung: Durch diese Definition ist sichergestellt, dass es zu einem Zeitpunkt t 0 höchstens eine Mo- mentangeschwindigkeit gibt, aber nicht , dass es überhaupt eine gibt. Begründe! Fig. 2.10 0 s t f(t 0 ) t 0 t 0 + t Ú Ú s t Ú f(t 0 + t) Ú F 2.10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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