Reichel Mathematik 8, Schulbuch
100 (Weitere) Anwendungen der Integralrechnung 3 Länge von Kurvenbögen Seit Kindertagen wissen wir, dass man die Länge einer krummen Linie grob mit einem Glieder-Zollstock grob oder relativ genau mittels eines Drahtes ermitteln kann, indem man diesen der Kurve nachformt und anschließend zu einer Strecke spannt und abmisst. Man nennt diesen Vorgang die Rektifikation der Kurve. Offen blieb, ob dies für jede krumme Linie funktioniert (vgl. Buch 6. Kl. S. 163) und wie man dies rechnerisch (geschickt) vollzieht. Für den Spezialfall der Kreislinie haben wir in der 6. Klasse deren Länge dadurch bestimmt (vgl. Buch 6. Kl. S. 120f), dass wir sie von innen her und von außen her durch regelmäßige n-Ecke angenähert haben und schließlich mit n gegen unendlich gegangen sind. Dass es sich dabei um regelmäßige n-Ecke handelt, war dabei nicht wesentlich, sondern hat nur die Handhabung und Berechnung der Längen der Ersatzpolygone erleichtert. Diese Grundidee kann man nun auch hier anwenden. 1. Bogenlänge als bestimmtes Integral berechnen Die Funktion f: y = f (x) , a ª x ª b , beschreibe einen Kurvenbogen . Wir nehmen an, dass f auf [a; b] differenzierbar ist und dass die Ableitung f ’ stetig ist. Wie gewohnt unterteilen wir das Grund- intervall [ a ; b ] in n gleich lange Teilintervalle [x i – 1 ; x i ] und appro- ximieren den Kurvenbogen durch den zugehörigen Polygonzug. Wenn wir nun n ¥ • ( É Δ x ¥ 0) gehen lassen, dh., wenn wir die Unterteilung unbegrenzt verfeinern , wird sich rein anschaulich der Polygonzug dem Kurvenbogen immer besser „anschmiegen“. „Im Grenzwert“ scheint die Länge des Polygonzuges mit der Länge des Kurvenbogens zusammenzufallen. Unter den obigen Voraussetzungen ist dies tatsächlich der Fall. Genau genommen muss man aber den Begriff der Bogenlänge – analog zu den Begriffen Flächeninhalt und Rauminhalt – erst definieren . Und das geschieht dann eben auf die gleiche Weise, nämlich mittels Approximation der Kurve durch Poly- gonzüge, deren einzelne Strecken ja eine elementar messbare Länge besitzen. Jetzt müssen wir nur noch die Länge s n des Polygonzuges berechnen : s n = ; i = 1 n s i = ; i = 1 n 9 ___________ (x i – x i – 1 ) 2 + (y i – y i – 1 ) 2 y i – y i – 1 berechnet man aus dem so genannten Mittelwertsatz der Differentialrechnung : Unter den obigen Voraussetzungen gibt es laut Fig. 3.22 eine Stelle ξ * [x i – 1 ; x i ] mit f ’ ( ξ i ) = y i – y i – 1 _____ x i – x i – 1 und daher ist y i – y i – 1 = f ’ ( ξ i )·(x i – x i – 1 ) = f ’ ( ξ i )· Δ x Die Länge des Polygonzuges ist also s n = ; i = 1 n 9 ___________ ( Δ x) 2 + (f ’ ( ξ i )) 2 ·( Δ x) 2 = ; i = 1 n 9 ______ (1 + (f ’ ( ξ i )) 2 · Δ x Das sind die RIEMANN-Summen des Integrals : a b 9 ______ 1 + (f ’ (x)) 2 ·dx Da f ’ als stetig vorausgesetzt wurde, existiert dieses Integral und es gilt: 3.3 Fig. 3.20 x y 0 a b A B y = f(x) 1 0 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 1 0 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 1 0 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 1 0 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 F 3.20 AN 4.1, AN 4.3 Fig. 3.21 x y 0 P i x i x i-1 P i-1 s a b A B y = f(x) F 3.21 F 3.21 S 59 Fig. 3.22 x y 0 x i x i-1 ξ i 160197-100 Nur z Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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