Reichel Mathematik 8, Schulbuch

24 Mathematische Beschreibung dynamischer Systeme und Prozesse 1 2. Mathematik auf wirtschaftliche Probleme anwenden können Die Wirtschaft des Landes kann man als dynami- sches System betrachten, das von sehr vielen Komponenten abhängig ist. Wenn man sich auf einige wenige Komponenten beschränkt (zB Volkseinkommen, Bruttonationalprodukt, Regie- rungsausgaben usw.), und wenn man aus der langjährigen Beobachtung quantitativ erfassbare Zusammenhänge zwischen diesen Größen kennt, kann man ein mathematisches Modell erstellen, das es dann erlaubt, unter gewissen Einschrän- kungen die weitere Entwicklung vorherzusagen. (Derartiges ist etwa für die Politik oder für die Planungen großer Firmen wichtig!) Freilich bringen alle diese Modelle Unsicherheiten mit, die einerseits in den Modellannahmen liegen, an- dererseits in den Unwägbarkeiten des Marktes und im „irrationalen“ Verhalten der Menschen. Dennoch spielen solche Wirtschaftsmodelle eine wichtige Rolle in der Wissenschaft. Im folgenden Beispiel werden wir ein klassisches Wirtschaftsmodell zeigen, welches von P. Samuelson  2 stammt und auch nach ihm benannt ist. Es ist ein Konjukturmodell, das den Zusammenhang zwischen Volkseinkommen und Gesamtausgaben eines Staates grob beschreiben will. (Übrigens: Wenn man die Zusammenhänge kennt, kann man natürlich auch in zielgerichteter Weise eingreifen und Änderungen gewollt herbeiführen. Dafür ist im Grunde unsere Wirtschaftspolitik zuständig.) 1970 wurde der Nobel- preis für Wirtschaftswissenschaften für (allerdings viel kompliziertere) mathematische Modelle an P. Samuelson vergeben. EUGEN RITTER V. BÖHM-BAWERK  1 war auf der 100-Schilling-Banknote abgebildet 81  Wir betrachten die Rechnungsperioden n = 1, 2, 3, … (zB Jahre) und rechnen aøøe Geødbeträge in Ein­ heiten. Aøs Einheit verwenden wir die aøs konstant angesehenen („autonomen“) Regierungsausgaben A n (Erhaøtung der Staatsgebäude, der Straßen, etc.). Y n sei das Voøkseinkommen (das natürøich genau definiert sein muss). Mit C n bezeichnen wir die Konsum- ausgaben des Voøkes (Gebrauchsgüter etc.) und mit I n die Investitionen. Das SAMUELSON-Modeøø geht nun von foøgenden Annahmen aus: 1. C n = a·Y n – 1 (Die Konsumausgaben sind proportionaø zum Voøkseinkommen der Vorperiode.) 2. I n = b·(C n – C n – 1 ) (Die Investitionen sind proportionaø dem Zuwachs der Konsumausgaben.) 3. A n = A ist konstant (über mehrere Perioden hinweg). Bei uns: A = 1 Nun øeiten wir das mathematische Modeøø her, eine Differenzengøeichung 2. Ordnung . Ausgangspunkt: Y n = C n + I n + A n (Voøkseinkommen = Summe der „Voøksausgaben“). Man erhäøt: Y n = a·Y n – 1 + a·b·(Y n – 1 – Y n – 2 ) + 1 É Y n = (a + a·b)·Y n – 1 – a·b·Y n – 2 + 1 a Setze für die Konstanten a = 0,75, b = 0,25 und für die Anfangswerte Y 0 = Y 1 = 8 (Einheiten) und berechne schrittweise Y 2 , Y 3 , …, Y 13 ! b Skizziere das Konjunkturverhaøten (Voøkseinkommen Y n ) in einem (n, Y n )-Koordinatensystem! c Beschreibe auf Grund der Tabeøøe deiner Werte Y 1 , Y 2 , …, Y 13 oder aufgrund der eben angefertigten Grafik, weøche Entwickøung das Voøkseinkommen nimmt! (In diesem Modeøø hat es eine interessante Eigenschaft!) 82  Wie Aufg. 81, nur für die Anfangswerte Y 0 = Y 1 = 2 (Einheiten).  1 Eugen Ritter v. BÖHM-BAWERK (1851–1914). Bedeutender österreichischer Nationalökonom (Wirtschaftswissenschafter). Er selbst war zwar kein Mathematiker, aber die Nationalökonomie verwendet viele mathematische Modelle  2 Paul Anthony SAMUELSON (1915–2009). Amerikanischer Nationalökonom; Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1970. AN 1.4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=