Reichel Mathematik 8, Schulbuch

25 1.4 Rückblick und Ausblick 1 Rückblick und Ausblick In diesem Kapitel haben wir dynamische Prozesse und Systeme mit mathematischen Mitteln beschrie- ben und einerseits bessere Einsicht, andererseits quantitative und qualitative Vorhersagen gewonnen. Im Wesentlichen hat es sich darum gehandelt, dass gewisse Größen x , y , z , … (Systemvariable) einan- der gegenseitig beeinflussen und miteinander wirken. Alle diese Größen waren (zeitlich) veränderlich, dh., sie sind Funktionen der Zeit t: x (t) , y (t) , z (t) , … Wenn wir nun den Ablauf der Zeit in gewisse Peri- oden teilen (Stunden, Tage, Jahre, … ), und wenn wir den Wert der beobachteten Größe – zB eben x – in der n-ten Periode mit x n bezeichnen, so erhalten wir eine Folge k x 0 ; x 1 ; x 2 ; … x n ; … l . Sie heißt die (ma- thematische) Bahn des Systems mit dem Startpunkt x 0 . Zur Beschreibung der Folge k x n l dienten uns Differenzengleichungen, das sind rekursive Darstellungen der Folge k x n l . Bei der weiteren Arbeit mit mathematischen Modellen dynamischer Prozesse und Systeme braucht man bald tiefer gehende mathematische Kenntnisse. – An einem besonders typischen Beispiel wollen wir nun zeigen, wie es weiterginge: 1. Populationswachstum mit Wachstumsgrenzen verstehen Wie vorher beobachten wir die Anzahl x n der Individuen einer bestimmten (Tier-)Population in der n- ten Beobachtungsperiode. Wenn keine Vermehrungs- und Lebenshindernisse bestehen, entwickelt sich die Population exponentiell (dh. nach einer geometrischen Folge), weil der Zuwachs dann einfach pro- portional zur Anzahl der bereits vorhandenen Individuen ist. Satz Unbeschränktes Wachstum: x n + 1 – x n = r · x n É x n + 1 = (1 + r) · x n w x n = (1 + r) n · x 0 Wenn wir nun Todesfälle einbeziehen, vor allem aber die Tatsache, dass in einem bestimmten Lebens- raum nicht mehr als – sagen wir – a Individuen leben können, dann beobachten wir, dass das relative Wachstum umso langsamer verläuft, je näher die Anzahl x n bereits der Maximalanzahl a ist. Mit ande- ren Worten: ( x n + 1 – x n ) /x n ist proportional zu ( a – x n ): Satz VERHULST-Modeøø  1 : ​  ​x​  n + 1 ​– ​x​  n ​ _____ ​x​  n ​  ​= r · (a – x n ) É x n + 1 = (1 + a · r) · x n – r · x n 2 Fig. 1.21 n 0 10 20 n 0 10 20 0,2 1 0,2 1 x n x n r = 1,8 r = 2,3 r = 2,5 r = 3,0 Fig. 1.20 a x n x n+1 x n+1 =(1+ar)x n –rx n 2 r Wenn wir die Anzahl x n der Individuen in solchen Einheiten messen, dass a = 1 ist, so beschreiben wir den Wachstumsprozess durch die nichtlineare Differenzengleichung 1. Ordnung x n + 1  = (1 + r)·x n  – r·x n 2 . Diese enthält einen Parameter , nämlich die reelle Zahl r , von der das gesamte Verhalten der Entwicklung von x n abhängt. Erkøäre an vier typischen Fäøøen ! Bei Parameterwerten um r = 1,8 pendelt sich die Population x n sehr rasch bei einem Fixwert (Gleichgewicht) ein, um r = 2,3 schwankt die Population x n periodisch um einen gewissen Wert, um r = 2,5 schlägt das Verhalten plötzlich in ein „doppeltperiodisches“ Schwanken um.  1 Diese Differenzengleichung wurde von P.F. VERHULST ( 1804–1849 ) aufgestellt und „bearbeitet“. Sie ist eines der ersten und wichtigs- ten Modelle beschränkten Wachstums. 1.4 F  1.20 F  1.21 160197-025 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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