Reichel Mathematik 8, Schulbuch
26 Mathematische Beschreibung dynamischer Systeme und Prozesse 1 Wenn der Parameter r noch weiter wächst, wird es eine Vierer-, eine Achterperiode usw. Die „Um- schlagwerte“ rücken auf der r -Achse immer näher zusammen und bei ca. r = 3 schlägt das Wachstums- verhalten der Population in ein „chaotisches“ Verhalten um 1 . Dh.: Es ist keinerlei Regelmäßigkeit im (Wachstums-)Verhalten der Population mehr zu erkennen, keine Perioden, keine Fixpunkte. Die Ände- rung der Individuenzahl x n scheint nur mehr rein zufälligen Gesichtspunkten zu folgen, obwohl das Ver- halten einer streng definierten Differenzengleichung genügt! Ein derartiges Verhalten entdeckt man bei vielen Prozessen in der Natur und in der Wirtschaft. Mathematisch spricht man vom „deterministischen Chaos“. In den letzten Jahren des 20. Jh. hat sich die so genannte „Chaostheorie“ zu einem eigenen be- deutenden Zweig der Mathematik entwickelt. 2. NEWTON’sches Näherungsverfahren und Fraktale verstehen Aus Buch 7. Kl. Kap. 4.2 kennst du das so genannte NEWTON’sche Näherungsverfahren zur Lösung von Gleichungen der Art f (x) = 0 mittels der Rekursion x n + 1 = x n – f(x n ) ___ f ’( x n ) (*) Im Sinn der Differenzengleichungen stellt diese Gleichung eine nicht-lineare Differenzengleichung 1. Ordnung dar. Ausgehend von einem geschickt gewählten Startwert x 0 gestattet sie die Berechnung eines in der Regel besseren Näherungswertes x 1 , x 2 usw. der gesuchten Nullstelle _ x . (Zwecks besserer Übereinstimmung mit den Benennungen in diesem Kapitel bezeichnen wir nunmehr den ersten Nähe- rungswert ( = Startwert) mit x 0 statt mit x 1 und die gesuchte Nullstelle mit _ x statt mit x 0 .) Die Rekur sionsgleichung (*) lässt sich „im Komplexen“ genauso anwenden wie „im Reellen“. Alle auftretenden Rechenoperationen sind ja mit komplexen Zahlen genauso durchführbar wie mit reellen. Wenn man al- so mit einem komplexen Startwert x 0 = a 0 + i·b 0 beginnt, erhält man durch fortlaufende Anwendung der Rekursionsgleichung eine Bahn k x 0 ; x 1 ; x 2 ; …; x n ; … l , die zur Gänze in der GAUSS’schen Zahlenebene verläuft. Die Untersuchung derartiger Bahnen für verschiedene Funktionen f (x) und verschiedene Start- werte x 0 zählt zu den „aufregendsten“ Forschungsgebieten der Mathematik. Denken wir zB an die Gleichung x 3 – 1 = 0 . Ihre Nullstellen – die „dritten Einheitswurzeln“ – liegen bei z = 1 , z = ‒ 0,5 + i· 9 _ 3/2 und z = ‒0,5 – i· 9 _ 3/2 (vgl. Buch 7. Kl. S. 26f). Wenn man nun das NEWTON’sche Näherungsverfahren mit einem Startwert x 0 nahe genug bei zB z = 1 anwendet, so wird man eine Bahn komplexer Zahlen k x n l erhalten, die (bei n ¥ • ) gegen z = 1 strebt. Analoges gilt für die anderen beiden Nullstellen. Die Rekursionsgleichung des NEWTON’schen Näherungsverfahrens lautet in unserem Fall: x n + 1 = x n – f(x n ) ___ f ’( x n ) = x n – x n 3 – 1 ____ 3 x n 2 = 2 x n 3 + 1 _____ 3 x n 2 Betrachten wir nun all diejenigen komplexen Startpunkte x 0 , deren Bahnen in einer der drei Nullstellen „en- den“. Anders gesagt: Suchen wir jene drei Teilmengen der GAUSS’schen Zahlenebene von Startwerten x 0 ( „Bassins“ ), für die das NEWTON’sche Verfahren in der dem Bassin zugehörigen Nullstelle konvergiert. Computerbilder dieser drei wohl unterschiedenen Bassins zeigt Fig. 1.22. Dort sind die drei komplexen Nullstellen (samt Einheitskreis) durch Kreuze dargestellt, die drei Bassins mit drei in sich abgestuften Farben. Diese Abstufung zeigt an, wie viele Rekursionsschritte benötigt werden, um „ganz nahe“ (also 1 Es liegt dann ein Häufungspunkt der Periodenverdopplung vor; die Periodenverdopplungen „überpurzeln“ sich sozusagen, wodurch schließlich chaotisches Verhalten entsteht. A 567 160197-026 Fig. 1.22 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s V rlags öbv
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