Reichel Mathematik 8, Schulbuch

42 Integralrechnung 2 2. Den Begriff Differentialgleichung verstehen Die in (der Fortsetzung von) Beispiel A vorgegebene Bedingung F ’ (x) = x 2 könnte man (mit Bezug auf die gesuchte Funktion F: y = F (x) ) auch in der Form y ’ = x 2 schreiben. Diese Gleichung ist ein (sehr einfa- ches) Beispiel einer so genannten Differentialgleichung. Ganz allgemein nennt man eine Gleichung, die neben den Variablen x und y auch den Differentialquotienten y ’ enthält, eine (gewöhnliche) Differen­ tialgleichung . Falls eine explizite Darstellung von y ’ existiert, schreiben wir y’ = f (x, y) . Die Lösungen einer solchen Differentialgleichung sind nicht Zahlen, sondern Funktionen , und zwar eine einparametrige Schar von einstelligen Funktionen. So ist in (der Fortsetzung von) Beispiel A die Funktion y = x 3 /3 eine Lösung der Differentialgleichung y ’ = x 2 , ebenso ist es y = x 3 /3 + 1 . Die erste Lösung gehört zur Integrationskonstanten c = 0 , die zweite zu c = 1 . Mit anderen Worten: Der Graph der ersten Lösung geht durch den Punkt (0 1 0) , der der zweiten Lösung durch den Punkt (0 1 1) . Anstelle jedes dieser Punkte auf der y-Achse hätte man auch irgendeinen anderen Punkt P (x 0 1 y 0 ) vorschreiben können, durch den der Graph gehen soll, was gleichbedeutend damit ist, dass die gesuchte Funktion F an der Stelle x 0 den Funktionswert y 0 annehmen soll. Man nennt diesen Punkt Anfangswert und die Problemstellung An- fangswertproblem , die zugehörige Lösung eine partikuläre Lösung (Teillösung). Beispiel D Wie øautet die Gøeichung jener Kurve, deren Steigung in jedem ihrer Punkte gøeich der Abszisse x dieses Punktes ist und die durch den Punkt P (2 1 1) geht? Lösung: Die Übersetzung in eine Differentiaøgøeichung øautet: y’ = x. Gemäß Beispieø B 4) erhäøt man y = x 2 /2 + c. Man sieht (Figur): Die Parabeø y = x 2 /2 und aøøe aus ihr durch eine Schiebung øängs der y-Achse um c hervorgehenden Parabeøn haben die Eigenschaft, dass die Steigung in jedem Kurvenpunkt gøeich der Abszisse dieses Punktes ist (woraus sich die angege- bene Tangentenkonstruktion ergibt). Aber nur eine einzige Kurve erfüøøt die zweite Bedingung, an der Steøøe 2 den Wert 1 anzunehmen: P (2 1 1) * Kurve: 1 = 2 2 /2 + c É c = ‒1 Die gesuchte Kurve ist die Parabeø y = x 2 /2 – 1. Bemerkung: Die Lösung in Beispiel D hätte man auch durch Trennung der Veränderlichen wie folgt be- rechnen können. Erkøäre an diesem Beispieø die Namensgebung dieses Standardverfahrens! y ’ = ​  dy __ dx ​= x w dy = x·dx w ​ : ​  ​d​y = ​ : ​  ​x​·dx É ​ : ​  ​1​·dy = ​ : ​  ​x​·dx w y = ​  ​x​  2 ​ __  2 ​+ c Oft gibt man sich nicht mit partikulären Lösungen allein zufrieden; man sucht alle Lösungen: Beispiel E 1 Prüfe nach, dass die Funktion y = e x + c die Differentiaøgøeichung y’ = y erfüøøt! 2 Gibt es noch andere Funktionen mit dieser Eigenschaft? Lösung: 1 Wir differenzieren nach der Kettenregeø: y’ = e x + c ·1, erhaøten aøso tatsächøich wieder y. 2 Ja, zB y = ‒7·e x , aøøgemein y = k·e x , mit k ª 0. Prüfe es durch Differenzieren nach! Bemerkung: In Verallgemeinerung von Beispiel A haben wir festgestellt, dass die Lösungsmenge einer Differentialgleichung y ’  = f (x, y) eine einparametrige Schar von Kurven ist. Nun scheint Beispiel E zu zeigen, dass es zwei einparametrige Scharen von Lösungen gibt, nämlich y = e x + c (Scharparameter c ) und y = k·e x (Scharparameter k ). Der scheinbare Widerspruch löst sich auf wenn man bedenkt, dass zB die Kurve y = 2·e x identisch ist mit y = e x + øn2 . Veraøøgemeinere dieses Beispieø zu einem Zusammenhang zwischen k und c und beweise ihn ! Zeige weiters, dass es tatsächøich keine anderen Lösungen gibt aøs y = k·e x ! 1 0 1 ‒1 y x A  145 A  144 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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