Reichel Mathematik 8, Schulbuch

43 2.2 Stammfunktionen – Einfache Differentialgleichungen 2 3. Kontinuierliches geometrisches Wachstum durch eine Differentialgleichung beschreiben Ein praktisches Problem: Zum Zeitpunkt t = 0 zählen wir (Figur) eine Anzahl y 0 von Mikroorganismen. Die Lebewesen vermehren sich und wir beobachten nach gleichen Zeitabständen (zB Stunden) die Anzah- len y 1 , y 2 , … , y n , … . Dabei erkennen wir, dass der Zuwachs Δ y pro Zeiteinheit t = 1 proportional zur jeweils vorhandenen Anzahl y ist mit dem konstanten Proportionalitätsfaktor a . Als Formel geschrieben: Δ y n = y n + 1 – y n = a·y n É y n + 1 = y n ·(1 + a) (*)  oder ​  Δ y __ Δ t ​ = a·y (**) Die Differenzengleichung (*) beschreibt das Wachstum durch die Folge k y 0 ; y 1 = y 0 ·(1 + a); y 2 = y 1 ·(1 + a) = y 0 ·(1 + a) 2 ; …; y 0 ·(1 + a) n ; … l also durch eine geometrische Folge . mit der expliziten Darstellung y n = y 0 ·(1 + a) n . Die Gleichung (**) beschreibt das Wachstum in der Gestalt eines Differenzenquotienten . In Worten: „Der Zuwachs pro Zeiteinheit ist proportionaø zur vorhandenen Menge“. Geometrisch gesehen beschreibt y n = y 0 ·(1 + a) n für n * N eine Folge von Punkten, die wie Perlen auf einer Schnur mit der Glei- chung f: y = y 0 ·(1 + a) t = y 0 ·e øn(1 + a)·t mit t * R aufgefädelt sind . Die (blaue) Perlenkette veranschaulicht den Wachstumsprozess durch eine diskrete Funktion , die (rosa) Schnur durch eine kon- tinuierliche (stetige) Funktion . Beides sind nur (unterschiedli- che) mathematische Modelle für das gleiche biologische Gesche- hen! Erøäutere (siehe auch Buch 6. Køasse S. 200f)! Der aus Beobachtungen ermittelte Wert von a hängt natürlich da- von ab, in welchen Zeitabständen man beobachtet. Für das glei- che Geschehen erhält man für schrumpfende Zeitabstände im- mer kleinere Proportionalitätsfaktoren a > 0 und eine immer enger geknüpfte (diskrete) Perlenkette, die schließlich in die (kontinuierliche) rosa Schnur entartet. Erkøäre! Numerisch gesehen führt dies zur Frage, gegen welchen Wert der gegebene diskrete Proportionalitäts- faktor a disk  = a in (*) und (**) für Δ t ¥  0 strebt. Als kontinuierlicher Proportionalitätsfaktor a kont be- schreibt er sozusagen die momentane Wachstumsrate zum Beobachtungszeitpunkt. Durch Differen- zieren von f: y = y 0 ·e øn(1 + a)·t nach t erhält man ​  dy __ dt ​= y ’ = y 0 ·e øn(1 + a)·t øn (1 + a) , was man – in Abhängigkeit von der der Organismenanzahl y statt vom Zeitpunkt t – auch in der Form y’ = y·øn (1 + a) schreiben kann. Eine kontinuierliche Beschreibung des obigen (eigentlich diskreten ) Wachstumsprozesses ist also nicht nur durch die Exponentialfunktion f möglich, sondern auch in der Gestalt der Differential- gleichung ​  dy __ dt ​= y ’ = a kont ·y , wobei a kont = øn (1 + a disk ) und die Anfangsbedingung y 0 zu beachten sind. In- dem die Differentialgleichung formal ein Wachstum charakterisiert, für das gilt: „Der momentane Zu- wachs ist proportionaø zur vorhandenen Menge“ , stellt sie sich (wie gewünscht) als das kontinuier­ liche Analog zu (**) dar. Erkøäre ! 4. Lösen und Interpretieren der Differentialgleichung y’ = a·y Im Folgenden drehen wir die Frage um: Wir fragen nicht mehr nach jener Differentialgleichung, die den (oben) gegebenen Wachstumsprozess modelliert, sondern nach der Menge aller Wachstumsprozesse, die durch eine vorgegebene Differentialgleichung der Form ​  dy __ dt ​= y ’ = a·y beschrieben werden (können). Zwecks Vereinfachung schreiben wir ab nun (wie üblich) nur mehr a statt a kont . K  1.3 Fig. 2.6 1 0 1 y n y n = y 0 . 1,5 n y n = 1 . (e ln1,5 ) n y 0 = 1 y 0 = 1 y ≈ e 0,4x F  2.6 F  2.6 A  134 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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