Mathematik HTL 4/5, Schulbuch
209 4.6 Numerische Lösung von Anfangswertproblemen Ich lerne das Eulerverfahren anzuwenden, um Anfangswertprobleme numerisch zu lösen. Mit den Methoden, die wir kennen gelernt haben, gelingt es nicht eine Funktion y: R ¥ R mit den Eigenschaften „Für alle reellen Zahlen t ist y’(t) = y(t) 2 + t und y(a) = y 0 “ zu berechnen. Wir können aber den Funktionswert von y an einer Stelle a + h, die sehr nahe bei a liegt, näherungs- weise berechnen: y(h) ≈ y(0) + y’(0)·h = 1 + (y(0) 2 + 0)·h = 1 + 1·h = 1 + h. Wir haben dabei benutzt, dass wir wegen y’(t) = y(t) 2 + t die Zahl y’(a) berechnen können, falls wir den Funktionswert y(a) kennen. Wir berechnen nun näherungsweise y(a + 2h), indem wir statt mit y(a) mit der Näherung y 1 von y(a + h) beginnen: y((a + h) + h) ≈ y(a + h) + y’(a + h)·h ≈ y 1 + (y 1 2 + a + h)·h = y 2 Für a = 0, y 0 = 1 _ 2 und h = 0,1 erhalten wir so y(0) = y 0 = 0,5000, y(0,1) ≈ y 1 = 0,5250 und y(0,2) ≈ y 2 ≈ 0,5626. Wiederholen wir diesen Vorgang, so können wir zum Beispiel in 10 Schritten näherungsweise y(1) = y(0 + 10h) berechnen. Dieses Verfahren zur näherungsweisen Berechnung von Funkti- onswerten der Lösung einer Differentialgleichung nennt man explizites Eulerverfahren . Statt y’(t) = y(t) 2 + t hätten wir auch y’(t) = g(t, y(t)) schreiben können, dabei ist g: R 2 ¥ R die Funktion, die jedem Zahlenpaar (u, v) die Zahl u + v 2 zuordnet. Allgemein können wir das explizite Eulerverfahren so beschreiben: Durch eine Funktion g: R 2 ¥ R und Zahlen a, b, y 0 ist die folgende Anfangswertaufgabe gegeben: „Berechne eine differenzierbare Funktion y von einem offenen Intervall, welches das abgeschlos- sene Intervall [a; b] enthält, nach R mit den Eigenschaften y(a) = y 0 und für alle reellen Zahlen t ist y’(t) = g(t, y(t))“. Wir schreiben dafür kurz: „die Anfangswertaufgabe y’(t) = g(t, y(t)) und y(a) = y 0 im Intervall [a; b]“. Mit dem expliziten Eulerverfahren berechnet man eine Näherung des Funktionswertes y(b) der gesuchten Funktion y an der Stelle b: Wähle eine natürliche Zahl n (die Anzahl der Schritte) und Zahlen a = t 0 , t 1 , t 2 , t 3 , …, t n = b mit a = t 0 < t 1 < t 2 < t 3 < … < t n – 1 < t n = b. Beginne mit y(t 0 ) = y 0 . Für i = 1, 2, …, n – 1 berechne der Reihe nach y i + 1 = y i + g(t i , y i )·(t i + 1 – t i ) y n ist die gesuchte Näherung des Funktionswertes y(b) = y(t n ). Falls aufeinanderfolgende Zahlen t i und t i + 1 immer denselben Abstand h voneinander haben, nennt man h die Schrittweite des Verfahrens. Es liegt nahe, dass die Genauigkeit (aber auch der Rechenaufwand) umso größer wird, je kleiner die Schrittweite ist. explizites Eulerverfahren zur numerischen Lösung einer Anfangswert- aufgabe Schrittweite x y 0,5 0 1 0,5 0 1 1,5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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