Sexl Physik 8, Schulbuch

| 104 2.1 Kosmische Strahlung Zu Beginn des 20. Jh. hielt man die Atome für die kleinsten, unteilbaren und un- veränderlichen Bestandteile der Materie. Diese Vorstellung wurde im Jahr 1911 durch r utherFords Streuexperiment mit α -Teilchen an einer Goldfolie wider- legt, das den Aufbau des Atoms aus Kern und Hülle zeigte (s. Physik 7, S. 44). Die Teilchen der Hülle, die Elektronen, waren seit 1897 bekannt – aber woraus besteht der Kern? Auch die Atomkerne konnten nicht die fundamentalen Bestandteile der Materie sein: Erstmalig beobachtete Rutherford 1919 eine Kernumwandlung ( Kernreaktion ), als er in einer Nebelkammer α -Teilchen auf Stickstoff schoss. Aus den Spuren in der Nebelkammer (s. Physik 6, S. 35) schloss er auf die Reaktion 4 2 He+ 14 7 N ¥ 17 8 O+ 1 1 H. Der österreichische Physiker v ictor F raNZ h ess ( 104.2 ) entdeckte 1912 die kos- mische Strahlung . Er stellte bei Ballonflügen fest, dass eine unbekannte ionisie- rende Strahlung mit der Höhe an Intensität zunimmt. Hess wusste noch nicht, dass energiereiche Protonen, Kerne und elektromagnetische Strahlung ( γ -Quanten) aus dem Weltraum auf die obere Atmosphäre treffen und zahlreiche neutrale und elek- trisch geladene Teilchen erzeugen, die großteils in der Atmosphäre absorbiert wer- den, teils bis auf Meereshöhe gelangen ( 104.3 ). Ihre Wechselwirkung mit Materie wurde in den folgenden Jahren mit Nebelkammern und Fotoplatten erforscht. Heu- te wird intensiv nach den Quellen der energiereichsten γ -Quanten der kosmischen Strahlung gesucht ( 104.1 ), man vermutet sie in den Zentren der frühen Galaxien. Im Jahr 1932 erklärte w erNer h eiseNberg den Aufbau der Isotope, indem er die Existenz eines neutralen, bisher unbeobachteten Kernbausteins annahm. Gleich- zeitig fand der Engländer J aMes c hadwicK (1891–1974) bei der durch Beschuss mit α -Teilchen hervorgerufenen Umwandlung von Beryllium in Kohlenstoff 4 2 He+ 9 4 Be ¥ 12 6 C+ 1 0 n ein neutrales Teilchen, das eine Masse wie das Proton hat. Er nannte es Neutron. Damit kannte man drei Elementarteilchen: Proton, Neutron, Elektron . Bald fand man in der kosmischen Strahlung weitere Teilchen mit rätselhaften Eigen- schaften. Die kosmische Strahlung war viele Jahre die einzige Quelle energiereicher Projektile zur Erforschung der Struktur der Materie. Mit dem Bau von Teilchenbe- schleunigern ab 1950 konnte die Struktur von Proton, Neutron und von Atomker- nen systematisch erforscht werden. Die Entwicklung der Beschleuniger hat zum gegenwärtig größten Beschleuniger, dem Large Hadron Collider in Genf, geführt. In Experimenten an Beschleunigern konnten mehrere hundert neue „Elementar- teilchen“ gefunden werden, so dass sich erneut die Frage nach den Urbausteinen, den wirklich elementaren Teilchen der Materie, stellte. Nach dem gegenwärtigen Wissen sind dies die Quarks , aus denen u. a. Proton und Neutron aufgebaut sind, und die Leptonen (z. B. Elektron). Die hohen Kosten der Beschleuniger und Nachweisgeräte erfordern internationale Zusammenarbeit. Österreich ist Mitglied des CERN, des europäischen Forschungs- zentrums für Kernphysik in Genf, wodurch österreichische Forscher und Forsche- rinnen an dieser Anlage arbeiten können ( 105.1 ). 104.1 Das High Energy Stereoscopic System H.E.S.S. in Namibia sucht mit Spiegeltelesko- pen das Cherenkov-Licht, das energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung in der oberen Atmosphäre erzeugen. Mit der Benennung soll V ictor h ess als Entde- cker der kosmischen Strahlung geehrt werden. 104.2 Der Österreicher V ictor h ess (1883–1963) erhielt 1936 den Nobelpreis für die Entdeckung der kosmischen Strahlung. Wegen seiner Ablehnung des NS-Regimes musste er 1938 in die USA fliehen. 0 600 1000 2000 3000 4000 5000 10000 20000 30000 40000 50000 –600 Rekord für bemannten Ballon, 40 000 m 104.3 Die kosmische Strahlung aus energierei- chen Protonen, Kernen und γ -Strahlung er- zeugt in der oberen Atmosphäre als Sekundär- strahlung zahlreiche Teilchen. Die tieferen Luftschichten schwächen die Strahlung, die zur natürlichen Strahlungsbelastung beiträgt. 2 Teilchenphysik In diesem Kapitel erfährst du, − welche elementaren Bausteine die Materie aufbauen, − welche fundamentalen Kräfte zwischen den Bausteinen wirken, − wie man die Welt der kleinsten Teilchen erforscht. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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