Sexl Physik 8, Schulbuch

73 | Teilchen völlig neue optische, magnetische oder elektrische Fähigkeiten anneh- men können. Zum anderen nimmt die Oberfläche der Teilchen im Vergleich zu ih- rer Masse stark zu, was wiederum ihre Interaktion mit der Umwelt vergrößert. Je kleiner also die Teilchen, desto reaktiver die Substanz. Eine weitere Besonderheit der Nanotechnologie ist, dass viele Fachgebiete (der Na- turwissenschaften) zusammenspielen. Einerseits liefert z. B. die Physik wichtige Methoden und Erkenntnisse (vor allem im Bereich der Quantenmechanik), aber auch die Chemie trägt wesentlich zum Verständnis der Struktur von Materie bei. Je nach Einsatzbereich der Materialien erreicht diese Technologie immer mehr Fachbereiche, von der Elektronik, über Pharmazie, Informationstechnik, Automo- bilbau bis hin zur Medizin, Lebensmitteltechnologie und Biologie. Neue Eigenschaften durch gezielte Manipulation Neben der weiteren Miniaturisierung von Bauteilen ist es ein prinzipielles Ziel der Nanoforschung, Materialien und Strukturen mit neuen Eigenschaften wie z. B. ge- ringer Reibungswiderstand von Oberflächen, große Härte und Kratzfestigkeit von Materialien, höhere chemische Reaktivität oder größere biologische Aktivität, zu entwickeln. Dabei kommen einerseits so genannte Nanopartikel (so wird der Ver- bund von mehreren Atomen bzw. Molekülen bezeichnet) zum Einsatz. Sie werden bereits bei einer Vielzahl von Produkten (Kosmetika, Lebensmittel, Farben Lacke usw.) verwendet. Andererseits spielen bei der Erzeugung neuartiger Stoffe vor allem Kohlenstoff- Nanoröhrchen (Carbon-Nanotubes) eine wichtige Rolle. Dies sind röhrchenarti- ge Gebilde, die man sich aus einer Grafitschicht aufgerollt vorstellen kann (vgl. 73.1 ). Die Grundbausteine der Kohlenstoffröhrchen sind ebene Sechsecke, in de- nen jedes Kohlenstoffatom zu drei seiner Nachbarn kovalente Bindungen eingeht und das vierte Elektron über die gesamte Struktur frei beweglich ist. Der Einsatz- bereich von Kohlenstoff-Nanoröhrchen ist vielfältig: So kann man z. B. leichte und flexible Plastiksolarzellen entwickeln, die auf Handys oder Kleidung Platz finden. Untersuche, überlege, forsche: Nanopartikel und Medizin 73.1 Eines der größten Probleme des Gesundheitswesens sind chronische Erkrankungen wie z. B. Diabetes oder Osteoporose. Um den Umgang mit diesen Krankheiten für die Pa- tientinnen und Patienten leichter zu gestalten, versucht man diverse Wirkstoffe in Na- nopartikel zu verpacken und zielgerichtet durch den Körper zu schicken. Erkundige dich über die verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes von Nanopartikeln in der Medizin. Finde heraus, wie man z. B. versucht, Tumore gezielt mit Nanopartikeln zu behandeln. Gefahren einer neuen Technologie? Die Nanotechnologie ist wohl eine der zukunftsträchtigsten Branchen des 21. Jahr- hunderts. Auch wenn ihre immensen technologischen Anwendungsmöglichkeiten noch nicht alle erforscht sind, so gibt es jetzt schon viele Produkte und Einsatzbe- reiche, wo Nanopartikel oder Nanoröhrchen eine entscheidende Rolle spielen. Es stellt sich immer dringender die Frage, ob die Veränderung der Materialien z. B. durch Nanopartikel Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat. Zurzeit gibt es keine Studien, die eine negative Auswirkung bestätigen können, Langzeitstudi- en wurden noch keine abgeschlossen. Viele Menschen betrachten die Entwicklun- gen kritisch, da noch nicht abzuschätzen ist, ob und welche Gefahren diese Tech- nologie mit sich bringt. Experiment: Rettungsdecke 73.1 Eine Rettungsdecke ist eine extrem dünne, reißfeste, wasserdichte und Wärme isolierende Folie. Das Grundmaterial ist mit einer gold- und einer silberfarbenen Me- tallschicht überzogen. Ursprünglich speziell für die Weltraumfahrt entwickelt, dient sie jetzt bei Unfällen als Schutz vor Kälte und Hitze. Du brauchst: Spezialfolie, Schere, Glasgefäß, Klebeband, Aluminiumfolie, Kabel, Ohm- meter, Schiebelehre, stabförmige Kontakte, Waage Was ist zu tun? Betätige dich als Materialforscher/in und untersuche den Aufbau und die Dicke dieser Folie mit den angegebenen Hilfsmitteln. Aus welchen Materialien be- 73.1 Kohlenstoff-Nanoröhrchen haben sehr kleine Durchmesser (< 100 nm), die Längen sind im Vergleich dazu aber sehr groß (mm). Die Röhrchen lassen sich auf verschiedene Weise aufrollen, wobei unterschiedliche elekt- ronische Eigenschaften entstehen. 73.2 Nano-Glas: Glas, das auch bei hoher Luftfeuchtigkeit nie anläuft, ist ein Produkt der Nanoforschung. Winzige Polymerpartikel und Glas-Nanopartikel wirken wie ein Schwamm. Sie saugen die Wassertröpfchen auf und bilden einen dünnen Wasserfilm, durch den man problemlos durchsehen kann. Ein Anwen- dungsbereich sind Autowindschutzscheiben und Brillen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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