Sexl Physik 8, Schulbuch

79 | Mikro- und Makrokosmos Besonders im Bereich der Kernphysik und Astronomie haben Frauen wichtige Beiträge geleistet: m arietta b lau (1894–1970, links) entdeckte 1937 die Zertrümmerung von schweren Kernen durch die kosmische Strahlung. Als Jüdin musste sie aus Österreich flüchten. Für die Entdeckung der Scha- lenstruktur der Atomkerne erhielt als bisher zweite Frau die Kernphysikerin m aria g oeppert -m ayer (1906–1972 ) den Nobelpreis für Physik. m aria m itchell (1818–1889 , rechts) wurde 1865 als erste Frau in den USA zur Professorin für Astronomie ernannt. Die Themen der folgenden Kapitel schlagen eine Brücke zwischen den kleins- ten und den größten in der Physik erforschbaren Größenskalen: Atomkerne sind etwa 10 –15 m klein. Wie groß das Universum ist, ist unbekannt: Mit den größten Teleskopen können wir Licht registrieren, das vor mehr als 13 Mrd. Jahren aus- gesandt wurde – durch die fortwährende Expansion des Universums sind die Quellen dieses Lichts jedenfalls heute weiter als 13 Mrd. Lichtjahre entfernt. Welche Forschungsinstrumente und welche Methoden benötigt man, um so klei- ne und so große Objekte zu erforschen? Gelten in Mikro- und Makrowelt diesel- ben physikalischen Gesetze wie in unserer Alltagswelt? Warum erforscht man diese extremen Bereiche? Haben die Ergebnisse auch Relevanz für unseren All- tag? Gibt es eine Verbindung zwischen Mikro- und Makrowelt? Antworten auf diese Fragen geben die folgenden Kapitel. An dieser Stelle wid- men wir uns nur der letzten Frage und blicken zu ihrer Beantwortung kurz in der Geschichte der Physik zurück. Die Erforschung der Mikrowelt begann mit der Entdeckung der Radioaktivität durch h eNri b ecquerel in Paris im Jahr 1896. Damit war ein erster Einblick in den Atomkern gewonnen. In der Folge wurden die Bausteine des Atomkerns ent- deckt und die Kernphysik entwickelt. Die Entdeckung der kosmischen Strah- lung durch den späteren Nobelpreisträger v iKtor F. h ess , Assistent am Wiener Institut für Radiumforschung, im Jahr 1912 führte zur Frage nach dem Ursprung und der Beschaffenheit dieser ionisierenden Strahlung aus dem Weltraum. Diese Entdeckungen führten zur Entwicklung der Teilchenphysik . Die damit eröffnete Zusammenarbeit zwischen Kernphysik und Astronomie führte zur Entwicklung der Astrophysik , der wir unser Wissen über Aufbau und Funktionsweise von Sternen verdanken. Kernphysik und Teilchenphysik entwickelten sich als einzelne Teilgebiete der Physik weiter. Die Kernphysik ist heute in der Öffentlichkeit vor allem über zwei ihrer Anwendungen, Kernreaktoren und Kernwaffen, bekannt. Beide Gebiete werden zumindest in Mitteleuropa eher negativ gesehen. An diesem Bild können die positiven Aspekte der Anwendungen, vor allem in der Medizin, nur wenig ändern. Die Teilchenphysik ist auf der Suche nach den elementaren Bausteinen und den Grundgesetzen der Natur heute dabei, ein relativ einfaches Modell der Materie (je sechs Quarks und Leptonen, sowie Kräfte übertragende Wechselwir- kungsteilchen) zu testen. Dazu wurden riesige Maschinen gebaut, um Bedingun- gen herzustellen, wie sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben. Neben dem reinen Erkenntnisgewinn gibt es nützliche Anwendungen („Spin-offs“). Zur Illus- tration zwei Beispiele: Am Forschungszentrum CERN entstand das World Wide Web aus der Notwendigkeit, zwischen Forschungsgruppen weltweit Daten auszu- tauschen. Ein anderer „Spin-off“ ist MedAustron, ein Zentrum zur Tumorthera- pie mit Ionenstrahlen in Wiener Neustadt. Die internationale Zusammenarbeit in der Teilchen- und der Astrophysik und die Entwicklung entsprechender Forschungsinstrumente brachten wesentliche Er- kenntnisse für die Kosmologie. Mit jeder Entdeckung stellen sich neue Fragen. Nur zu Prüfzw cken – Eig ntum des Verlags öbv

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