Zeitbilder 5/6, Schulbuch

meinschaft auf mehr oder weniger gro- ße Ablehnung bis hin zum Ausschluss stoßen. Das hängt vor allem davon ab, wie verbindlich diese Normen sind und wie schwer sie vom „Abweichler“ ver- letzt wurden. Eine besondere Form der sozialen Nor- men stellt das „Recht“ dar. Das in Gesetzen verankerte Recht ordnet uns Bürgerinnen und Bürgern ein bestimmtes Verhalten an (z. B. im Straßenverkehr) oder verbietet uns bestimmte Verhaltensweisen (stehlen, töten etc.). Die Einhaltung dieser Re- geln kann aber – im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Normen – vom Staat erzwungen werden. Und jede/r, die/der sie verletzt, wird in einem ge- setzlich geregelten Verfahren von der dafür zuständigen Behörde zur Verant- wortung gezogen und bestraft werden. Welche sozialen Normen gibt es in eurer Klasse, wie haben sie sich entwickelt? Wie verhält ihr euch gegenüber Mit- schülerinnen und Mitschülern, die sich nicht an diese Normen halten? Welche sozialen Normen sind in eurer Schulordnung verankert, welche verschiedenen Sanktionen (= Strafbestimmungen) sind bei einem Verstoß gegen diese Normen vorgesehen? Die Anfänge des Rechts Unser Wissen über die Regeln des Zu- sammenlebens bei den Gesellschaften der Steinzeit ist sehr beschränkt. Wir verdanken es einigen (unsicheren) Quellen der Antike sowie der Archäolo- gie und der Ethnologie (= Völkerkunde). Sicher ist, dass diese frühen Gemein- schaften in kleineren Familien- oder Geschlechterverbänden lebten. Ihre Rechtsvorstellungen waren geprägt von einem ganz anderen Denken als in den nachfolgenden Hochkulturen oder un- serem Denken heute. Ihre sozialen Normen wurden von Gene- ration zu Generation weiter überliefert und waren bestimmt vom Überlebens- kampf in der Natur und den Alltagsbe- dürfnissen. Wichtig war, welchen Anteil der Einzelne an der Jagdbeute oder der Ernte erhielt, welche Stellung Mann und Frau in der Gemeinschaft hatten oder wie die Arbeit aufgeteilt wurde. Es gab noch keine staatliche Ordnung mit einem mit Macht- und Befehlsgewalt ausgestatteten Richter. Was Recht ist, wurde nicht von irgendwem vorgege- ben, sondern „vorgefunden“. Gab es Konflikte, dann wurden diese zwischen den Streitparteien wohl meist gütlich geregelt. In späterer Zeit hat der Älteste dieser Gemeinschaft, der Weise, den Vorsitz im Streitfall übernommen. Seine Aufgabe war nicht die eines Rich- ters, sondern die eines Vermittlers mit dem Ziel einer Konfliktlösung. Beide Seiten sollten dabei nicht „ihr Gesicht verlieren“. Denn im Vordergrund stand für solche kleinen Gemeinschaften das weitere friedliche Zusammenleben. War eine Streitbeilegung nicht möglich, mussten die Streitparteien zur „Selbst- hilfe“, wie z. B. der Blutrache, greifen. Denn es gab keine übergeordnete Auto- rität, die über Zwangsmittel verfügte. Als die Religion in diesen Gesellschaf- ten immer mehr an Bedeutung gewann, wurde das Recht zur Sache der Götter. Von nun an war das Recht heilig. Und Priester oder Schamanen wurden zu „Rechtsfindern“. Das ist der Beginn der Rechtsfindung „von oben“. Von nun an wurde Recht „verkündet“ (man denke dabei auch an die 10 Gebote). In den frühen europäischen Kulturen fanden ein paar Mal im Jahr Gerichts- verhandlungen an einem heiligen Platz unter freiem Himmel statt. Für die Klärung von richtigem oder falschem Handeln verließen sich die Menschen vorerst auf das Gottesurteil. Aussagen und Vereinbarungen wurden mit einem Treueid bestätigt. Verhandelt wurde immer von Fall zu Fall. Denn Recht war nichts Abstraktes, über das man sich schon im Voraus den Kopf zerbrechen musste. Wurde nicht gegen ein „göttliches Recht“ ver- stoßen, so galt der Grundsatz: Nicht Strafe, sondern Wiedergutmachung! Wer einem anderen einen Schaden zufügte, konnte mit einem Bußgeld (z. B. einem Lamm) den Frieden wieder- herstellen. Das galt auch für ein Men- schenleben. Allerdings war ein Adeliger teurer als ein Bauer. Zur Ausbildung verschiedener Gesell- schaftsschichten kam es, als sich die kleineren Gemeinschaften zu größeren Geschlechterverbänden (= Stämmen) zusammenschlossen. Dort bildeten sich Führungspersonen heraus, die versuch- ten, diese Position an ihre Nachkom- men zu vererben. Diese Könige oder Fürsten waren für die Kriegsführung zuständig und übernahmen mit ihrer Machtposition auch die Funktion des Richters. Als nächster Schritt erfolgte z. B. bei den germanischen Stämmen die Ein- berufung der Volksversammlung, dem Thing. Es kann als Vorläufer der spä- teren Gerichte angesehen werden. Es gab eine Verpflichtung zur Anwesenheit und zur Unterwerfung unter das ausge- sprochene Urteil. Damit dürfte auch die Selbsthilfe bei Streitverfahren zurück- gegangen sein. Als Fehdewesen tritt sie im Adel bis in die Neuzeit auf, die Blut- rache wird manchmal, z. B. am Balkan, noch heute ausgeübt. Rechtsschutz gab es nur im eigenen Personen- bzw. Stammesverband. Da- mit musste man aber auch alle Pflich- ten innerhalb seiner Gemeinschaft erfüllen. Als Fremder war man schutz- los, außer man genoss anderswo das öffentliches Recht Verfassungsrecht Bürgerliches Recht = Zivilrecht Familienrecht Schuldrecht Erbrecht Sachenrecht (z. B. Eigentumsrechte) Sonderprivatrecht (z. B. Handelsrecht) Strafrecht Steuerrecht Besonderes Verwaltungsrecht (z. B. Gewerbe- und Schulrecht, Straßen­ verkehrsordnung u. v. a.) Verfahrensrecht (z. B. Straf- und Zivilprozessrecht) Privatrecht Arbeitsrecht Staatliche Rechtsordnung 105 X Titel dieser Politikseite Alles, was Recht ist! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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