Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Der mittelalterliche „Welthandel“ gerät ins Stocken Der mittelalterliche Handelsverkehr blieb für die Euro- päer im Wesentlichen auf Europa beschränkt. Den Han- del im Nord- und Ostseeraum beherrschte die Hanse, im Mittelmeerraum hatten die italienischen Seestädte, allen voran Venedig und Genua, die Vorherrschaft. Sie hatten Handelsstützpunkte an der Ostküste des Mit- telmeeres, in Ägypten, in Konstantinopel und an der Schwarzmeerküste. Auf mehreren Routen (Land- und Seewege) funktionierte der Handel mit Indien, China und den fernen Gewürzinseln. Er deckte den Bedarf der europäischen Oberschicht an exotischen (Luxus-) Gü- tern. Seide, Porzellan, Farbstoffe, Edelsteine und Gold sowie verschiedene Gewürze brachten sowohl den italienischen Kaufleuten als auch den arabischen und mongolischen Händlern hohe Gewinne. Dieser Handel kam ins Stocken, als die Osmanen Kon- stantinopel eroberten (1453) und auch die übrigen Han- delswege ins ferne Asien versperrten. Hohe Zölle trie- ben die Warenpreise in gigantische Höhen. In dieser Situation suchten Spanier und Portugiesen nach einem neuen Weg, um die mächtigen italienischen, osmani- schen und arabischen Kaufleute auszuschalten – sie fanden ihn zur See! Welche Gründe gibt es für die Entdeckungsfahrten? Diese veränderte politische und wirtschaftliche Situa- tion war eine wesentliche Ursache für die im 15. Jh. einsetzenden Entdeckungsfahrten. Neben den Han- delsinteressen der Kaufleute gab es aber auch andere Gründe: Abenteuertum, Gier nach Ruhm und reicher Beute, missionarischer Eifer. Der Historiker John Parry beschreibt den „Erwerbstrieb und Glaubenseifer“ so: L Der kürzeste (…) Weg zum Reichtum war, ein von fleißigen und fügsamen Eingeborenen bewohn- tes Land in Besitz zu nehmen und es als Lehen zu verwalten. Den spanischen Rittern und Edelleuten war dieses Vorgehen seit langem vertraut, zu dem die erfolgreichen Kriege gegen die Moslems in Spa- nien Gelegenheit und Rechtfertigung geboten hat- ten. (…) Die zweite Möglichkeit, reich zu werden, war die Be- setzung und Ausbeutung von Neuland – von Land, das entweder gar nicht oder von Menschen bewohnt war, die sich untauglich oder widerspenstig zeigten. Sie wurden einfach getötet oder vertrieben. (…) Alle (…) fantastischen Träume von schnellem, aben- teuerlichem Gewinn wurden außerdem durch den religiösen Eifer verstärkt. Die Entdecker, die Konqui- stadoren, waren meist fromme Männer. (Parry, Das Zeitalter der Entdeckungen, 1978, S. 45) Die Christianisierung der „Ungläubigen“ erfolgte so- wohl durch gewaltlose Missionierung (Predigt und Aufklärung) als auch durch militärischen Druck auf die 3. Die Europäer „entdecken“ und erobern die Welt „Ungläubigen“, die bei fehlendem Gehorsam Demüti- gung und Tod zu erwarten hatten. Fasst Gründe für die Entdeckungen zusammen und be- urteilt sie. Seit einigen Jahrzehnten wird der Weltraum erobert: Welche Interessen könnten die daran beteiligten Staaten dabei haben? Die Portugiesen auf dem Weg ins „alte“ Indien Schon in der ersten Hälfte des 15. Jh. waren die Portu­ giesen unter Prinz Heinrich dem Seefahrer (gest. 1460) immer weiter die Küste Afrikas entlang gesegelt. Dort errichteten sie Handelsstützpunkte und -gesellschaften, die vor allem mit Gold, Elfenbein und Sklaven Gewinne machten. 1486 erreichte Bartholomäus Diaz das Kap der Guten Hoffnung und 1498 landete Vasco da Gama im Hafen Kalikut, dem Hauptumschlagplatz des arabischen Ge- würzhandels in Indien. Der Traum vom Seeweg nach Indien war Wirklichkeit geworden! Die Reise des Vasco da Gama lohnte sich: Seine Rückkehr mit den gewürzbe­ ladenen Schiffen war ein enormer finanzieller Erfolg. Es folgten weitere Expeditionen. Binnen weniger Jahr- zehnte eroberten die Portugiesen einen Großteil der ostasiatischen Inselwelt und errichteten Handelsgesell- schaften bis nach China. Nach siegreichen Seeschlach- ten gegen die Araber und die Osmanen kontrollierten die Portugiesen bis zum Ende des 16. Jh. den asiatischen Gewürzhandel. Später wurden sie von den Engländern (in Indien) und den Holländern (in Ostasien) verdrängt. Ersatz dafür fanden die Portugiesen im weiteren Herr- schaftsausbau an der Westküste Afrikas sowie in Bra- silien, das im Jahr 1500 durch einen Zufall von Pedro Cabral auf einer Reise nach Indien entdeckt wurde. Die Spanier „entdecken“ das „neue“ Indien Von der Kugelgestalt der Erde überzeugt wollte der Ge- nuese Christoph Kolumbus (1451–1506) Indien auf dem Westweg erreichen. Im Auftrag der spanischen Krone stach Kolumbus 1492 mit drei Karavellen in See und er- reichte nach mehr als zwei Monaten die kleine karibi- sche Insel Guanahani. Kolumbus nannte sie zu Ehren des Erlösers „San Salvador“ und betrachtete sie gleich als spanischen Besitz. Im Bordtagebuch notierte Kolum- bus seine Eindrücke vom ersten Kontakt mit den Insel- bewohnern: Q In der Erkenntnis, dass es sich um Leute hand- le, die man weit besser durch Liebe als mit dem Schwert retten und zu unserem heiligen Glauben be- kehren könne, gedachte ich sie mir zu Freunden zu machen und schenkte also einigen unter ihnen rote Kappen und Halsketten aus Glas und noch andere Kleinigkeiten von geringem Wert. (…) Sie wurden so gute Freunde, dass es eine helle Freude war. Sie (…) brachten Papageien, Knäuel von Wolle, lange Wurf- spieße und viele andere Dinge noch, die sie mit dem 118 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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