Zeitbilder 5/6, Schulbuch
ten nach Paris. Darunter auch jene aus Marseille, deren Marschlied – die Marseillaise – bald populär wurde. Der Sieg bei Valmy am 20. September 1792 gegen die preu- ßische Armee machte dem revolutionären Frankreich neue Hoffnungen. Die Republik entledigt sich des Königs Die Bedrohung von Außen und die schwierige Wirt- schaftslage mobilisierten die Massen von Paris. Die Sansculotten – Kleinhändler, Handwerksgesellen, Dienstboten, Tagelöhner, Wäscherinnen – waren ab nun der Motor einer zunehmenden Radikalisierung. Sie hassten den Adel und die Reichen und hofften, dass die Revolution ihnen zu einem menschenwürdigen Leben verhelfen würde. Radikale Agitation ließ den Hass offen ausbrechen: Der königliche Palast (die Tuilerien) wurde gestürmt. Ludwig XVI. flüchtete in den Schutz der Na- tionalversammlung. Diese stand unter dem Druck der Jakobiner, die sich v. a. auf die Sansculotten stützten. Der König wurde von der Nationalversammlung für ab- gesetzt erklärt und gefangen genommen. Ohne den König war die Verfassung nicht mehr intakt. Deshalb löste sich die Nationalversammlung auf. Der neu gewählte Nationalkonvent beschloss gleich in seiner ersten Sitzung am 21. September 1792 die Abset- zung des Königs und die Ausrufung der Republik. Im Jänner 1793 verurteilte er mit nur 27 Stimmen Mehrheit den Bürger „Louis Capet“ zum Tod. Wenige Tage später fiel dessen Kopf unter der Guillotine. Die öffentliche Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Jänner 1793. Das revolutionäre Frankreich kämpft gegen Europa Die Hinrichtung des Königs war ein schwerer Schlag für das Ansehen des Königtums: Ludwig XVI. war wie ein gewöhnlicher Mensch hingerichtet worden. Nun verschärften die absoluten Monarchen den Krieg ge- gen Frankreich. Um gegen die Übermacht der Gegner bestehen zu können, wurde in Frankreich die Kriegs- führung revolutioniert. Die Einführung der allgemei- nen Wehrpflicht band die gesamte Bevölkerung in das Kriegsgeschehen ein: Q Vom heutigen Tag an bis zu dem Tage, an dem die Feinde vom Boden der Französischen Republik vertrieben sein werden, sind alle Franzosen dauernd zum Wehrdienst verpflichtet. Die jungen Männer zie- hen in den Kampf; die Verheirateten schmieden Waf- fen und tragen Lebensmittel herbei; die Frauen ferti- gen Zelte und Kleider und dienen in den Lazaretten. Die Kinder zupfen altes Leinen zu Fäden; die Greise lassen sich auf öffentliche Plätze tragen, um den Mut der Krieger anzuspornen, sie mit Hass gegen die Kö- nige und Liebe zur Einheit der Republik zu erfüllen. Bürger, die nicht verheiratet sind, sowie kinderlose Witwer im Alter von 18 bis 25 Jahren werden zuerst marschieren. (Dekret des Konvents über die „Levée en masse“ vom 23. August 1793; zit. nach: Hartig, Die Französische Revolution, 1984, S. 94 f.) Welchen Eindruck macht dieses Dekret auf dich? Könnte heute ein Volk leichter (schwerer) mobilisiert werden? Mit welchen Mitteln? Der Terror als Regierungsmittel Den Jakobinern gelang es schließlich, die Macht an sich zu reißen. Diese radikale Minderheit hatte sich – vorerst in Paris – durchgesetzt. Die Provinzen begannen sich aber gegen die zentralistische Diktatur der Jakobiner zu erheben. Diese Aufstände wurden mit aller Grau- samkeit (Massenerschießungen und Massenertränkun- gen) niedergeschlagen. Auch in der Kulturpolitik kam es zu radikalen Neue- rungen. Die Kirchen- und Religionsfeindlichkeit erlebte einen Höhepunkt. Das Christentum wurde abgeschafft und ein „Kult der Vernunft“ eingeführt. An die Stelle des christlichen Kalenders trat ein „vernünftiger“: Die Monate wurden in drei Dekaden geteilt, Tage und Mo- nate erhielten neue Namen. Die Politik der Pariser Regierung geriet in dieser Zeit unter den Druck der radikalisierten Volksmassen von Paris. Drei Gesetze begründeten die nun folgende „Schreckensherrschaft“ der Gruppe um Robespierre (September 1793 bis Juli 1794): Der Schrecken (la terreur) wurde offiziell als Regie- –– rungsmittel anerkannt. Das Gesetz gegen die Verdächtigen ermöglichte es –– dem Regime, sich aller Personen zu entledigen, die es für gefährlich hielt. Es wurden Lebensmittelhöchstpreise festgesetzt. –– Alle, die gegen diese und andere Gesetze verstießen, wurden verhaftet und vor ein Revolutionstribunal ge- stellt. Von dort führten nur zwei Wege weg: in die Frei- heit oder unter die Guillotine, das „Rasiermesser der Nation“. Ein ordentlicher Prozess oder Verteidigungs- möglichkeit war nicht vorgesehen. Insgesamt werden die Opfer der Schreckensherrschaft auf ca. 15 000 allein in Paris geschätzt; dazu kamen noch mehr als 100 000 im übrigen Frankreich. Die meisten Opfer entstammten den Unterschichten, die sich durch Verstöße gegen das Höchstpreis-Gesetz ein besseres Leben schaffen wollten. Aber selbst die Regierungs kollegen waren vor Robespierres Diktatur nicht sicher. Um seine Macht zu sichern, brachte er alle seine Riva- len vor das Revolutionstribunal, das ganz unter seinem 170 Nur zu Prüfzwecken – E gentum des Verlags öbv
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