Zeitbilder 5/6, Schulbuch
tion bei Hof und auf ihren prachtvol- len Schlössern kennzeichneten das Leben der meisten Adeligen. Die hohe Bildung, die zahlreiche Angehörige des Adels genossen, führte aber auch dazu, dass Adelige die Gedanken der Aufklärung auf- nahmen und weitertrugen. So wur- den Adelige nicht selten zu Trägern der Aufklärung (z. B. Gründung und Förderung von Freimaurerlogen, Schulen etc.). Ferner taten sie sich als Kunstmä- zene, vor allem in der Musik (Ester- hazy) und in der Architektur, hervor. Der Bruch – die Grundentlastung 1848 Gegen Ende des 18. Jh. wurde die Auffassung von der Überlegenheit des Adels vor allem vom aufstreben- den Bürgertum nicht mehr akzep- tiert. Die Auffassung der Aufklärung von der Gleichheit der Würde des Menschen hat die Adelsherrschaft ins Wanken gebracht. Eine weitere Schwächung des Adels erfolgte durch die Grundentlastung der Bauern im Jahr 1848. Einige Repräsentanten des Hochadels konnten sich damit zunächst nicht abfinden. So klagte Fürst Windischgrätz: Q Der hervorragendste Kommu- nist hat noch nicht zu begehr- ten gewagt, was Eurer Majestät Regierung praktisch durchführte. (Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2001, S. 280) Von nun an gab es auch keine ade- lige Sondergerichtsbarkeit mehr. Bauern und Adelige waren vor Ge- richt gleichberechtigte Staatsbürger, auch wenn es z. B. um Grund- oder Pachtstreitigkeiten ging. Zwischen 1850 und 1860 endeten somit die letzten Reste der feudalen Gesell- schaft in Österreich. Trotzdem blieb der Einfluss des Adels im politischen System bis zum Ende der Monarchie (1918) bedeutsam. Welche Klischees verbindet man deiner Meinung nach mit „Adel“, „adelig“ etc.? Wie sehr entsprechen solche Klischees den hier vorgestell- ten Ausführungen? Was sollte man deiner Meinung nach vom Adel wissen? Warum? Die am Rande stehen Glänzende Feste und barocker Prunk, sowie elegante Uniformen bestimmen häufig unsere Vorstel- lung von den letzten Jahrhunderten in der Monarchie. Das Elend eines großen Teils der Bevölkerung wird dabei häufig übersehen. Krankheiten, Seuchen und Hunger Die schlechte Ernährungslage machte die Menschen anfällig für Krankheiten und Seuchen aller Art. Die Pestepidemie von 1679 war –– noch in Erinnerung, als diese Seu- che am Beginn des 18. Jh. (1712 bis 1714) in den österreichischen Ländern ein letztes Mal tausende Opfer forderte. Pockenepidemien flackerten wäh- –– rend des gesamten 18. Jh. immer wieder auf. Tuberkulose und Cholera wüteten –– im 19. Jh. vor allem unter der ar- men, in schlechten Wohnverhält- nissen lebenden Bevölkerung. Ein wesentlicher Grund für das –– Elend der Massen war der Hun- ger. Die schwerste Hungerkatast- rophe der Neuzeit brach 1709/10 über Europa herein. Letzte schwe- re Hungerjahre wegen schlechter Ernten forderten in der habsbur- gischen Monarchie 1766–1772, 1783–1786 und 1811–1818 zehn- tausende Opfer. Die Bettler – und ein neues Verständnis von Armut Im Mittelalter sah man in der Un- terstützung von Bettlern und Armen die Möglichkeit, dafür selbst Lohn im Himmel zu erhalten. Armut wur- de damals als von Gott vorherbe- stimmtes Los verstanden. Ab dem 16. Jh. wurden die Armen und vor allem die Bettler als „un- würdige Arme“ gewertet. Sie galten als arbeitsscheu. Daher sollten sie zur Arbeit gezwungen werden, um der Gesellschaft nicht weiter zur Last zu fallen. In den Städten waren Anfang des 18. Jh. häufig bis zu einem Drittel der Einwohner Bettlerinnen und Bettler. Viele von ihnen waren abge- dankte Soldaten, Invalide, Soldaten- witwen und vagabundierende Sol- datenkinder. Aber auch Lehrlinge, arbeitslose Gesellen, Dienstboten und Tagelöhner, Hausierer, Zahn- brecher und Komödianten versuch- ten sich oftmals mit Bettelei über Wasser zu halten. In Zucht- und Arbeitshäusern, die etwa seit Beginn des 18. Jh. in grö- ßeren Städten errichtet wurden, wollte man diese Menschen zu produktiver Arbeit zwingen und am „Herumstreunen“ hindern. In diesen Arbeitshäusern sollten Q „die leichtfertigen Weibsbil- der, (…) die starkhen und un- würdigen Bettler, (…) das Herrn- und Haillose Gesindt (…) die über- müthigen Dienstboten und Hand- werks Pursch“ erfasst werden. Sie sollten „also 12 Stunden Zeit zur Arbeith, 2 Stunden zum Gebett, 2 zum Essen und Ausrasten, dann 8 zum Schlaffen“ haben. (Zit. n. Stekl, Österreichs Zucht- und Arbeits- häuser, 1978, S. 203 f.) Die Besitzlosen – die große Mehrheit L Eine Untersuchung für Wien zeigt für das Jahr 1790, dass 65,5 % der Verstorbenen Vermö- genslose waren, vor allem Tagelöh- ner, Kutscher, Rossknechte, Fuhr- und Schiffsleute und der gesamte Dienstleistungssektor waren da- von betroffen. (…) Aber auch 55 % der Gewerbetreibenden, 40 % der Beamten, 20 % der Landwirte star- ben besitzlos. (Stekl, Unterschichten und Obrigkeit im Wien des ausgehenden 18. Jh., 1985, S. 297) „Der Bettler“, Radierung (1622) von Jacques Callot (1592 – 1635). 185 X Titel dieser Politikseite Ges llschaft im Wandel Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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