Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Der Schwarze Tod zieht durch Europa Vom Schwarzmeergebiet schleppten Matrosen 1347 diese unheimliche Krankheit nach Italien ein. Am ganzen Körper von schwarzen Beulen befallen, mit angeschwollener Zunge und vom Fieber geschüttelt, landeten die schon vom Tod gezeichneten Seeleute in den Hafenstädten Messina und Genua was Angst und Schrecken auslöste. Der italienische Dichter Giovanni Boccaccio (1313–1375) verglich diese epidemische Krankheit mit einer Feuers- brunst – so stark und schnell breitete sie sich zuerst über Italien, dann über ganz Europa aus. In seinem berühm- ten Werk „Decamerone“ schildert er 1348: Q Sie hatte – entweder durch Einwirkung der Him- melskörper verursacht oder im gerechten Zorn Gottes über unsere bösen Taten zu unserer Züchti- gung über die Sterblichen verhängt – eine unendli- che Menge von Menschen getötet, sich ohne Aufent- halt von einem Ort zum anderen fortgepflanzt. Giovanni Boccaccio, Decameron; in: Borst, Lebensformen im Mittelal- ter, 1979, S. 113. Die Angst vor einer Infektion wuchs ständig. Selbst für angesehene Bürger gab es keine feierlichen Begräbnis- se mehr, sondern „Pestknechte“ besorgten gegen Be- zahlung eine möglichst schnelle Beerdigung. Besonders arg wütete die Krankheit unter den Menschen aus der städtischen Unterschicht. 14. Gesellschaft und Wirtschaft im Spätmittelalter Von der Jahrtausendwende bis zur Mitte des 14. Jh. hat- te sich die Bevölkerung Europas beinahe verdoppelt. Noch im 13. Jh. zählten die bedeutendsten politischen und wirtschaftlichen Zentren – wie Paris, London, Köln oder Prag – um die 30 000 Einwohner. Ein Jahrhundert später lebten in den damals größten europäischen Städ- ten annähernd 100 000 Menschen. Mit dieser starken Bevölkerungszunahme erlebten Handwerk und (Fern-) Handel einen ungeheuren Aufschwung. Geschätzte Bevölkerung (in Millionen) Jahr 500 1000 1340 1450 Balkan  5 5 6 4,5 Italien  4 5 10 7,5 Iberische Halbinsel  4 7 9 7 Frankreich, Niederlande  5 6 19 12 Britische Inseln  0,5 2 5 3 Deutschland, Skandinavien  3,5 4 11,5 7,5 Slawischer Raum (Russland, Po- len), Ungarn 5,5 9,5 13 9,5 Europa insgesamt 27,5 38,5 73,5 50  Nach: Russel, Die Bevölkerung Europas, 1978, S. 20. 80.000 und mehr Einwohner 50.000 und mehr Einwohner 25 - 50.000 Einwohner 20 - 25.000 Einwohner Barcelona Toledo Bordeaux Toulouse Genua Pisa Rom Neapel Palermo Venedig Florenz Konstantinopel Smolensk Bologna Mailand Zürich Lyon Basel Straßburg Paris Brügge Mainz Worms Köln Hamburg Frankfurt Prag Nürnberg Augsburg Salzburg Wien Danzig London Lübeck Gent Sevilla Córdoba T a j o L o i r e R h e i n E l b e D o n a u Atlantischer Ozean Nordsee O s t s e e M i t t e l m e e r D n j e p 14.1 Europas Bevölkerung verdoppelt sich Auch auf dem Land war durch das Bevölkerungswachstum der Lebensraum zusehends enger geworden: Daher zogen viele Menschen aus ihrer Hei- mat weg in bisher verlassene und unbewohnte Gegenden. Obwohl die Bauern insgesamt mehr Nahrungsmittel produ- zierten, führten wetterbedingte schlechte Ernten immer wieder zu Hungersnöten. Denn bei der damaligen Verkehrssituation waren (Getreide-)Importe gera- de in entlegene Gebiete kaum möglich. Diese Nahrungsmit- telknappheiten verursachten oft große Preissteigerungen und sorgten für soziale und wirt- schaftliche Spannungen. So kam das Bevölkerungswachs- tum bereits zum Stillstand, ehe eine grässliche Seuche Millio- nen von Menschen in wenigen Jahrzehnten hinwegraffte – die Pest.  Die größten Städte Europas im 14. Jahrhundert. 94 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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