Zeitbilder 7, Schulbuch
chen, wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung der Ge- schlechtszugehörigkeit für Frauen und Männer. „Gen- der Studies“ sollen demnach bisher vernachlässigte, unterdrückte und nicht artikulierte Erfahrungen und Probleme v.a. aus weiblicher, aber auch aus männlicher Perspektive in die Forschung einbeziehen. Auf diese Weise soll die soziale Wirklichkeit beider Geschlechter erforscht werden. Gender Mainstreaming als neuer Anlauf Trotz all dieser Bemühungen hat sich die Situation der Frau in der Gesellschaft lange Zeit nicht zufriedenstel- lend gebessert. Auf der Grundlage der vierten UN- Weltfrauenkonferenz in Beijing (1995) haben sich die Regierungen der teilnehmenden Staaten verpflichtet, die Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen. Die EU hat im Vertrag von Amsterdam (1997/1998) festge- legt, bei allen politischen Programmen und Maßnah- men zu beachten, welche Auswirkungen sie auf die Gleichstellung der Geschlechter haben – z. B. Stellen- ausschreibungen, Arbeitsplatzgestaltung. Diese Strate- gie wird als „Gender Mainstreaming“ bezeichnet. L Mit dem Gender Mainstreaming soll ein umfas- sender und nachhaltiger Wandel der Geschlech- terordnung erreicht werden. Bewirkt werden sollen strukturelle Veränderungen, die deutlich machen, dass Organisationen und Abläufe „vergeschlecht- licht“ sind. Damit soll vom Defizitdenken der Frau- en Abstand genommen und auch Änderungen bei den Männern angeregt bzw. gefördert werden. (Lenz/Adler, Geschlechterverhältnisse, Bd. 1, 2010, S. 113) Es wurde also erkannt, dass die Gleichstelllung in der Gesellschaft nicht nur ein Frauenproblem ist. Gender Mainstreaming beinhaltet folgenden Auftrag an die Spitze von Einrichtungen bzw. von Unternehmen und an die darin beschäftigten Mitarbeiter/innen: Es sind die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituati- onen von Frauen und Männern in der Gestaltung der Arbeitsabläufe, in der Kommunikation und in der Öf- fentlichkeitsarbeit von vornherein zu berücksichtigen. Damit soll das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern besser verwirklicht werden. Ein Blick zurück L Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass heute eine neue Generation von Mädchen und Frauen heranwächst. Sie besitzen Bildung, Selbstbe- wusstsein. Viele Errungenschaften der Frauenbewe- gung in den 70er Jahren werden als selbstverständ- lich angenommen. Sie sehen sich heute nicht (mehr) als passive Opfer der gesellschaftlichen Benachteili- gungen. Diese positiven Entwicklungen bilden eine solide Basis dafür, dass sich Mädchen und junge Frauen heute vermehrt einmischen und Geschlech- tergerechtigkeit einfordern. Doch kulturelle Revolu- tionen wie ein Wandel des Geschlechterverhältnisses und damit die „Umwälzung unserer Lebensformen“ brauchen scheinbar länger als ein oder zwei Gene- rationen. (Kromer/Hatwanger, Geschlechtergerechtigkeit, 2008, S. 228) Internationale Trendwende? Seit einiger Zeit ist international wieder so etwas wie eine Trendwende spürbar. Einerseits hat sich ein Teil der Frauenbewegung vermehrter Innerlichkeit zuge- wandt. Andererseits hat man durch gesellschaftliche Stützungsmaßnahmen – zumindest in manchen europä- ischen Ländern – den Frauen eine bessere Verbindung von Mutterschaft und Beruf ermöglicht: z. B. Reduktion der Arbeitszeit während der ersten sieben Lebensjahre des Kindes; Gleichstellung der Frau im Berufsleben; Si- cherungen für die berufliche Wiedereingliederung nach der Karenzzeit; vermehrtes Angebot an Kindergärten und ganztägigen Schulen etc. Von Politikerinnen ist die Forderung zu hören, Männer zu einem Karenzurlaub zu verpflichten. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Analysiere die Strategien von „Gender Studies“ und „Gender Mainstreaming“. Erörtere die angestrebten Ziele und nimm Stellung zu ihrer Erreichung. Recherchiere dazu auch Aktuelles in den Medien und präsentiere ausgewähl- te Beispiele in der Klasse. W Alice Schwarzer (Foto aus dem Jahr 2011), die Herausgeberin der Frauenzeitschrift „Emma“ (seit 1984) wurde zur Leitfigur der zweiten Frauenbewegung in Deutschland und Österreich. Für die Zukunft stell- te sie sich im Jahr 1975 vor, „ich träume von dem Tag, da man nicht mehr von Männern und Frauen, sondern von Menschen redet. (…) Das Leben von weiblichen und männlichen Menschen (sollte nicht) nach Rol- lenzwang, sondern nach persönlich unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen verlaufen.“ (Zit. nach: Schwarzer, Der „kleine Unterschied“ und seine großen Folgen, 2007, 3. Aufl. S. 178). 161 5 Die Vielfalt der sozialen Welt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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