Zeitbilder 7, Schulbuch

175 5 Protestbewegung – 1968 und in der Gegenwart? sozialen Krise und staatlicher Krisenpolitik verwun- dern weniger die unterschiedlichen Formen und Ausmaße von Protest, Empörung und Krawall; es ver- wundert eher, dass nicht noch viel mehr junge Leute in allen Ländern sich empören und ihrer Situation öffentlich Ausdruck verleihen. Dabei sind Krawalle kein Programm, sondern ein (zunächst) sprachloses Zeichen und ein vorübergehender und suchender Aufruf einer verunsicherten Generation. Es kann da- von ausgegangen werden, dass sich – bei sich ver- schärfenden Krisen, sozialen Spannungen und Spal- tungen sowie einer Sparpolitik zu Lasten des unteren sozialen Drittels und auch der Mittelschichten – sol- che Proteste, Revolten und Ausschreitungen gerade- zu zyklisch wiederholen werden. (Hafeneger, Jugendproteste im Jahr 2011. In: Neue Praxis 3/2012, S. 295–308; S. bes. 307) M5 Viele Probleme gefährden die Zukunft des Menschen. Dennoch gibt es wenig öffentlichen Protest gegen die Entwicklungen. Jorgen Randers, Mitarbeiter des Club of Rome anlässlich der Präsentation des neuen Berichts 2052 „Eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre“ (2012) antwortet dabei auf die Frage warum er pessimistisch ist, was die ökologische Zukunft der Men- schen anlangt: Als das Buch in englischer Sprache herauskam, laute- te die häufigste Schlagzeile: plus zwei Grad bis 2052. Aber die Conclusio des Buches ist, dass dies nicht mehr möglich ist. Die Menschheit ist nicht imstande, das Klimawandelproblem zu lösen. Es gibt zwar Ent- spannung– aber nicht genug. Und das heißt wieder- um, dass es bei den zwei Grad plus nicht bleibt. Wir werden den Treibhausgasausstoß nicht genug redu- zieren können, um dem Problem Herr zu werden. (…) Denn unsere Gesellschaft ist auf Kurzfristigkeit an- gelegt. Der Kapitalmarkt tickt kurzfristig und Politik und Gesellschaft auch. Es werden nur Investments gemacht, die großen, schnellen Gewinn abwerfen. Wenn der Return on Invest nicht hoch genug ist, wird eine Investition nicht getätigt. So ticken wir. („Weniger Menschen sind gut für den Planeten“. In: Der Standard, 11./12. 8. 2012, S. 13) M6 Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier charakteri- siert jugendliches Protestverhalten auf die Frage, ob es das Auflehnen der Jugendlichen überhaupt noch gibt: Der arabische Frühling und die Occupy-Bewegung haben gezeigt, dass sich wieder Protestpotenziale herausbilden. Es sind vor allem Gruppen aus den Mittelschichten, die alles richtig gemacht haben, da- für aber nicht belohnt wurden. Menschen, die brav BHS-Matura und einen FH-Abschluss gemacht ha- ben, am Ende aber ohne Arbeit und Anerkennung dastehen. Wenn sie sich bewerben, bekommen sie keinen Job, nur Ratschläge, welche Zusatzausbildun- gen sie noch nötig haben. Diese Leute erfahren, dass Versprechungen der neoliberalen Leistungsgesell- schaft Lug und Trug sind. Sie landen nicht als Mar- ketingassistent in einem internationalen Konzern, sondern in einem Protestzelt vor der Börse in Paris oder New York. Die praktische Frustration der Ange- passten führt nicht selten früher zur Rebellion als die endlosen theoretischen Reflexionen der kontempla- tiven Protestkultur. Auf die frustrierte Mittelschicht kann man vielleicht hoffen. („Der Stil einer ängstlichen Jugend“ In: Kleine Zeitung, 9. September 2012, Beilage Lebensart, S. 10) M7 Jugendliche zwischen Arbeitslosigkeit und Aufruhr. Jugendproteste in Barcelona (Spanien) gegen die hohe Ju- gendarbeitslosigkeit in Spanien. Mehr als die Hälfte der spa- nischen Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren hat keinen Job. Fotografie von Susanna Saez am 25. 4. 2013. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite die Ereignisse, die für „1968“ stehen, anhand der Literaturstelle M1 heraus. Ziehe dazu auch die ent- sprechenden Abschnitte aus den Kapiteln „Internationale Politik von 1945 bis 1990/91“ und „Die Vielfalt der sozi- alen Welt“ heran. 2. Charakterisiere die Träger/innen der 68er-Proteste an- hand der Literaturstelle M2. Benenne die in der Literatur- stelle genannten kulturellen Ausdrucks- und Aktionsformen des Protests. Was davon kannst du in den gegenwärtigen Protestformen von Jugendlichen wieder erkennen? 3. Vergleiche Motive und Zielsetzungen der Proteste von 1968 mit denen von 2011 (M3 und M4) bzw. heute. Be- schreibe dazu das Bild M7 und setze es zu den Literatur- stellen M2–M4 in Beziehung. 4. Arbeite mit Hilfe der Literaturstelle M3 heraus: Wo traten im Jahr 2011 Jugendproteste auf? Von welchen jugendli- chen Gruppen wurden sie getragen? 5. Vergleiche die Literaturstelle M3 mit den Literaturstellen M4, M5 und M6. Nimm Stellung zu den darin ausgedrück- ten unterschiedlichen Erwartungen und Einschätzungen hinsichtlich des Auflebens von (Jugend-)Protesten in der Gegenwart. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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