Zeitbilder 7, Schulbuch
10. Das Hakenkreuz über Österreich Die so genannten „positiven“ Erinnerungen … Es gibt heute noch Menschen – oft ehemalige Natio- nalsozialisten oder deren durch das Elternhaus gepräg- te Kinder und Enkel –, die von „positiven Seiten“ der nationalsozialistischen Diktatur in Österreich sprechen. Offenbar überwiegen bei diesen Menschen persönliche positive Erinnerungen oder Interpretationen, sodass selbst die Berichte der Opfer über ihre Leiden und die wissenschaftlichen Tatsachen über die Verbrechen der Nationalsozialisten nichts daran ändern. L Nach der Befreiung durch die Alliierten (…) stan- den aber nicht die eigene Verantwortung und Mitwirkung an Holocaust und Krieg im Zentrum ge- sellschaftlicher Debatten, sondern die Situation als Opfer, als Kriegsgefangene, Bombenopfer und Ver- folgte von NS-Repressionen. Selbst die Leiden der jüdischen Bevölkerung – rund 130 800 Juden und Jü- dinnen waren ins Exil getrieben worden, rund 65 000 ermordet oder ums Leben gekommen – wurden rasch von den Hinweisen auf eigene Leiden und Schick- salsschläge verdrängt. (Rathkolb, Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2010, 2011, S. 16) Erörtere, inwieweit sich ein solches Verhalten psycholo- gisch erklären lässt. An erster Stelle der „positiven“ Bewertung des Nati- onalsozialismus steht die scheinbare Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Kurzfristig brachte dies für Hundert- tausende Menschen die Befreiung aus ihrer jahrelan- gen Notlage. Vielen von Schulden bedrängten Bauern erleichterte man die Rückzahlungsbedingungen. Die so genannten „Arisierungen“ (Zwangsenteignungen) Vorangetrieben wurde auch der Wohnbau. Die Woh- nungsnot, besonders in Wien, wurde auf Kosten der jüdischen Bürgerinnen und Bürger (ca. 70000 „Ari- sierungen“ = Enteignungen) einigermaßen beseitigt. Dem Schicksal der aus ihren Wohnungen vertriebenen Menschen standen viele gleichgültig gegenüber. Diese Vorgangsweise bildete später eine schwere Belastung für die Zweite Republik. Nach 1945 kam es wegen der Rückgabe der „arisierten“ Vermögenswerte zu schwe- ren Differenzen zwischen den früheren Eigentümern – sofern sie das NS-Inferno überlebt hatten und An- spruch auf Rückerstattung ihres Eigentums erhoben –, den „Ariseuren“ und den Parteien. Die ersten sprachen von Raub, die zweiten verwiesen auf eventuelle – meist lächerlich geringe – Ablösen und die dritten fürchteten um Wählerstimmen. Insgesamt wurde diese Frage nur sehr zögerlich behan- delt. Erst im Jahr 2001 wurde das „Gesetz für die Ein- richtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds“ für die Opfer des Nationalsozialismus geschaffen. W Nationalsozialis tische Propagan- da-Postkarte „13. März 1938 Ein Volk Ein Reich Ein Füh- rer“ für die Volksab- stimmung am 10. April 1938. Entwer- fer: Richard Klein, 14 , 8 × 10 , 4 c m , Karton/Tiefdruck, Verleger: Heinrich Hoffmann, Mün- chen, 1938. W Sofort nach dem Anschluss setzte der Terror gegen die Jüdinnen und Juden ein. Ein Kind wird gezwungen, „Jud“ an die Wand eines jüdischen Geschäftes zu schreiben. Fotografie von Albert Hilscher, März 1938. Beschreibe das Foto und analysiere es in Zusammenhang mit den Ereignissen des März 1938. 60 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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