Zeitbilder 8, Schulbuch
4.9 Jugoslawien: Sieben neue Staaten Seit Beginn des 21. Jh. bestehen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien sieben neue Staaten: Sloweni- en, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Ser- bien, Montenegro und der Kosovo. Diese neue Staaten- karte ist ein Abbild der bundesstaatlichen Verfassung des untergegangenen Jugoslawiens. Dazu schreibt die Historikerin Marie-Janine Calic: L Jugoslawien schlitterte in den 1980er Jahren in die tiefste wirtschaftliche, politische und sozial- psychologische Krise seines Bestehens. (…) Je mehr die säkuläre Religion des Kommunismus an Über- zeugungskraft einbüßte, desto attraktiver erschien die Flucht in den Glauben an ethnische Identitäten, und in die Geschichte. (…) In allen (Teil-)Republiken markierten die späten 1980er Jahre eine nationalisti- sche Wende. (…) Viele Menschen fühlten sich in den schwierigen Zeiten nur noch durch Führer angemes- sen vertreten, welche mit nationalistischer Massena- gitation demokratische Legitimation vorgaukelten. (Calic, Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, 2010, S. 141 f.) Slowenien und Kroatien sagen sich los Am 25. Juni 1991 erklärten sich Slowenien und Kroatien für unabhängig. Damit begann der Zerfall eines Staates, der nach dem Ersten Weltkrieg 1918 als Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegründet worden war. Im Zweiten Weltkrieg wurde Jugoslawien nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht (1941) zerschlagen. Es entstand wieder 1945 unter der Führung Titos als kommunistischer Staat. Nach dem Tod Titos 1981 tra- ten die Spannungen zwischen Serbien und den anderen Teilrepubliken auf. Auch im wirtschaftlichen Bereich wurden Unterschiede zwischen den Teilrepubliken des Nordens (Slowenien, Kroatien) und jenen des übrigen Jugoslawien immer stärker. Vor allem in der autonomen Provinz Kosovo begann eine Politik der Unterdrückung durch Serbien gegenüber den ca. 1,5 Mio. Albanern. 1989 wurde der Provinz die Autonomie aberkannt. Die- se Vorgangsweise ließ erwarten, dass der Weg in die Unabhängigkeit nicht ohne Gewalt ablaufen würde. Als Slowenien seine neuen Grenzen als internationale Grenzen einrichten wollte, besetzte die jugoslawische Volksarmee die Grenzstationen. Es kam daraufhin zu einem Krieg, der zehn Tage dauerte. Diese kurze Dauer hängt auch damit zusammen, weil in Slowenien kaum Serben lebten. Anders war die Situation in Kroatien. Hier brachen un- mittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung Kämp- fe zwischen den kroatischen Sicherheitskräften und bewaffneten Serben aus. Die jugoslawische Volksar- mee unterstützte die Serben in Kroatien und besetz- te schließlich ungefähr ein Drittel des Landes. Dieser Krieg führte zur Zerstörung ganzer Städte (u. a. Vu- kovar) und zwang rund eine halbe Million Menschen zur Flucht. Die internationale Staatengemeinschaft re- agierte widersprüchlich. Deutschland und Österreich unterstützten die Selbstständigkeit Kroatiens und Slo- weniens. Die UNO, die Regierungen in Washington, Paris und Moskau befürworteten hingegen den Erhalt Jugoslawiens. Sie befürchteten einen Präzedenzfall für weitere Unabhängigkeitsbestrebungen. Ende 1991 ak- W Gedenkstätte Srebrenica (Fotografie, Juli 2009). Besucher/innen der Gedenkstätte lesen die Namen der bosnischen Muslime, die im Massaker von Sebrenica 1995 getötet wurden. 116 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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