Zeitbilder 8, Schulbuch

4.10 Nationen und ihre Symbole Die Ausbildung der modernen Nationen in Europa begann im 18. Jh. z. B. in Frankreich mit der Französischen Revolution. Mehrheitlich bildeten sich in Europa Nationalstaaten im Laufe des 19. Jh., z. B. in Griechenland, Italien, Deutschland (vgl. Zeit- bilder 6, S. 123 f.). Als Folge des Ersten Weltkrieges zerfielen Vielvölkerstaaten, wie das Habsburger Reich, das Osmanische Reich und das russische Zarenreich. Damit entstanden am Beginn des 20. Jh. neue Nationalstaaten. Am Übergang vom 20. zum 21. Jh. wurden dann wieder neue Nationalstaaten ge- bildet. Beispiele dafür sind: Aus der Tschechoslowakei wurden 1993 die Tschechische Republik und die Slowakei. Mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 (vgl. Zeitbilder 7, S. 122 f.) und Jugoslawiens (vgl. S. 116 f.) bildeten sich auf deren Territorien ebenfalls neue Nationalstaaten. Um eine neue Gemeinsamkeit und Identität herzustellen und diese zu betonen, entwickelten diese neuen Staaten entspre- chende Symbole. Dazu gehören Fahnen, Hymnen, Uniformen, Denkmäler, Gedenktage mit Erinnerungen an besondere ge- schichtliche Ereignisse sowie verklärende Erzählungen oder auch die Vereinnahmung von (z. B. sportlichen) Großereignissen. L Wie erklärt man einem Außenstehenden, was Skisport in und für Österreich bedeutet und wa- rum das so ist? (…) Der Durchbruch des Skisports ging einher mit dem Auftauchen der ersten Skistars (…) Toni Sailer, Anderl Molterer, Karl Schranz, später noch Franz Klammer [und Annemarie Pröll; Ergän- zung d. A.]. Das waren Personen, die Österreich nach dem Weltkrieg ein Stück Identität gegeben und die große weite Welt hereingeholt haben. (…) Skisport hat in Österreich auch deswegen diesen Stellenwert, weil „wir“ da die Erfolge feiern. (…) Und wenn sich der Kater nach dem rauschenden Skifest gelegt hat,  Uniformen der Präsidentenwache auf dem Hradschin in Prag – vom Präsidenten der Tschechoslowakei, Vaclav Havel, im Jahr 1990 bei dem berühmten Modeschöpfer Theodor Pistek in Auftrag gegeben. Foto: Chri- stian M. KREUZIGER/ CONTRAST, 07. 06. 2006. dann grübelt der Fan gern über die eigentliche Be- deutung des Skisports nach. Ski als Weltsportart? Auch das ist eine sehr österreichische Frage, die man so in einer britischen Tageszeitung bei der Auseinan- dersetzung mit dem Thema Cricket gänzlich vermis- sen würde. (Salzburger Nachrichten, 2.2. 2013, S. 1) Plätze als nationale Symbole Eine besondere Rolle unter den Symbolen spielen zentrale Plät- ze, wie der „Rote Platz“ in Moskau, der „Platz des Himmlischen Friedens“ in Beijing, der Platz am Brandenburger Tor in Berlin oder in jüngster Zeit der Tahrir Platz in Kairo. Der Heldenplatz in Geschichte und Kunst Für Österreich trifft das in besonderem Maße auf den Helden- platz in Wien zu. Durch die beiden Reiterstandbilder von Prinz Eugen (Siege über die Türken) und von Erzherzog Karl (Sieg bei Aspern über Napoleon 1809) verkörperte dieser Platz schon in der Monarchie die Erinnerung an bedeutsame Ereignisse in der Geschichte Österreichs. Dieses Symbol „Heldenplatz“ bekam in weiterer Folge und bis in die Gegenwart einen besonderen Stellenwert. Er wurde bewusst gewählter Schauplatz von Ereig- nissen, die speziell auch für die jüngere und jüngste Geschich- te Österreichs als wichtig gelten. So erklärte beispielsweise Adolf Hitler am 15. März 1938 vom Balkon der Neuen Hofburg vor hunderttausenden Menschen auf dem Heldenplatz den „Anschluss“ Österreichs an das Nati- onalsozialistische Deutsche Reich. In der Zweiten Republik bemühte man sich auf mehrfache Weise, diesem Verständnis des Symbols „Heldenplatz“ durch „Neuinterpretationen“ entgegenzuwirken. Das geschah beispielsweise im Jahr 1965 dadurch, dass der Trauerzug für Ernst Kirchweger, den ersten und bisher einzigen Toten bei Demonstrationen in der Zweiten Republik (vgl. Zeit- bilder 7, S. 159) bewusst über den Heldenplatz geführt wurde; ein Faktum, das wenig Beachtung fand. In jenem Jahr erfolgte auch die Ausgestaltung des Weiheraumes für die Opfer des österreichischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus im Äußeren Burgtor, das den Heldenplatz begrenzt. Dieser Gedenkraum war das erste von der Republik errichtete Wider- standsdenkmal. Das „Lichtermeer“ auf dem Heldenplatz am 23. 1. 1993 war die bisher größte Massenkundgebung der Zweiten Republik. Sie wurde von „SOS-Mitmensch“ veranstaltet und richtete sich gegen das von der FPÖ veranstaltete Volksbegehren „Öster- reich zuerst“ (vgl. Zeitbilder 7, S. 177). Aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der Gründung der Zwei- ten Republik und zum 40-jährigen Jubiläum des Staatsvertra- ges fanden im Jahr 1995 Feiern auf dem Heldenplatz statt. Darüber hinaus werden in jedem Jahr am Nationalfeiertag Festveranstaltungen mit einer Kranzniederlegung am Äußeren Burgtor durchgeführt. In diesem Rahmen veranstaltet das ös- terreichische Bundesheer immer auch eine Leistungsschau. Diese Vielfalt der Veranstaltungen auf dem Heldenplatz betont die Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. So meint etwa der Wiener Zeithistoriker Oliver Rathkolb zu Gedenkveranstal- tungen und Denkmälern auf dem Heldenplatz: 118 Politische Bildung – Kompetenztraining Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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