Literaturräume, Schulbuch

110 sturm unD Drang (1770–1785/90) Götz: Hättet Ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwerlich, ihn zu tragen. Martin: Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt! und mir kommt nichts beschwerlicher vor als nicht Mensch sein dürfen. Armut, Keuschheit und Gehorsam – drei Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das unaus- stehlichste scheint, so unerträglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last oder der weit drückenderen Bürde des Gewissens […]! O Herr! was sind die Mühselig- keiten Eures Lebens gegen die Jämmerlichkeiten eines Standes, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedei- hen, aus missverstandner Begierde, Gott näher zu rücken, verdammt? Götz: Wär Euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden, einen Harnisch anzulegen, wollt Euch ein Pferd geben, und wir zögen miteinander. Martin: Wollte Gott, meine Schultern fühlten Kraft, den Harnisch zu ertragen, und mein Arm Stärke, einen Feind vom Pferd zu stechen! – Arme schwache Hand, von jeher gewöhnt, Kreuze und Friedensfahnen zu führen und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest du Lanze und Schwert regieren! […] Wenn Ihr zurück- kehrt, mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch erinnert: den stach ich vom Pferd, eh er schie- ßen konnte, und den rannt ich samt dem Pferd nieder, und dann reitet Ihr zu Eurem Schloss hinauf, und – Götz: Was meint Ihr? Martin: Und Eure Weiber! Er schenkt ein . Auf Gesundheit Eurer Frau! Er wischt sich die Augen . Ihr habt doch eine? Götz: Ein edles vortreffliches Weib! Martin: Wohl dem, der ein tugend- sam Weib hat! […] Götz (vor sich) : Er dauert mich! Das Gefühl seines Standes frisst ihm das Herz. […] Martin: Ich bitt um Euren Namen. Götz: Verzeiht mir. Lebt wohl! Er reicht ihm die linke Hand . Martin: Warum reicht ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert? Götz: Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müsstet mit dieser vorlieb nehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich: sie ist eins mit ihrem Handschuh; Ihr seht, er ist Eisen. Martin: So seid Ihr Götz von Berlichingen! Ich danke dir, Gott, dass du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fürsten hassen und zu dem die Bedrängten sich wenden! Er nimmt ihm die rechte Hand . Lasst mir diese Hand, lasst mich sie küssen! […] INFO Götz: Der Konflikt Auf seiner Burg Jagsthausen lebt Götz mit seiner Familie. Ein Überfall auf Nürnberger Kaufleute trägt Götz die Belagerung seiner Burg ein. Götz wird trotz der Zusicherung freien Abzugs gefangen genommen. Um wieder freizukommen, schwört er „Urfehde“, den Verzicht auf weitere Waffengewalt, lässt sich auf Jagsthausen nieder und verfasst seine Memoiren. Doch ist ihm das Schreiben bald lästig: „Indem ich schreibe, was ich getan, ärger ich mich über den Verlust der Zeit, in der ich etwas tun könnte.“ Aufständische Bauern überreden ihn, ihr Anführer zu werden. Widerwillig und um Bluttaten zu vermeiden, übernimmt Götz die Führung, macht sich damit des Wortbruchs schuldig. Im Kampf gegen das Reichsheer, das den Aufstand niederwirft, wird Götz verwundet und eingekerkert. Er stirbt mit der Vision himm­ lischer Freiheit und einer gerechten Zukunft: „Gebt mir einen Trunk Wasser! – Himmlische Luft – Freiheit! Freiheit!“ 5 Ekstatische Sprache und fürstlicher Menschenhandel Friedrich Schiller: „Die Räuber“ (1781) und „Kabale und Liebe“ (1784) „Die Räuber“ sind gefährlich Schiller möchte Theologie studieren, doch sein Landesfürst, Herzog Carl Eugen, presst ihn in die Karlsschule, eine der berüchtigsten Militärschulen des Landes Württemberg. „Sklavenplantage“ nannte Schubart diese Anstalt. Schiller allerdings hat einen fähigen Lehrer. Jakob Friedrich Abel lehrt dort Philosophie und konfrontiert Schiller mit Aufklärung und geschichtlichem Denken. Im Geheimen schreibt Schiller dort „Die Räuber“, im Frühjahr 1781 sind sie fertig. Verleger findet er keinen, Kritik am Staat ist auch für Buchhändler zu gefährlich. Schiller lässt das Werk selbst drucken, schickt es ins „Ausland“, nach Mannheim. Der Direktor des dortigen Theaters fordert gra­ vierende Änderungen, die Kritik an Staat und Kirche geht ihm zu weit. Schiller arbeitet um, verlegt für die Auf­ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=