Literaturräume, Schulbuch
181 „Traumpaar“ der Antike, Paris und Helena, soll erscheinen. Die Sichtbarmachung kann jedoch nur Faust gelingen, der „zu den Müttern“ hinabsteigt und nach seiner Rückkehr beide am Hof erscheinen lässt. Faust selbst wird von wilder Liebe zu Helena gepackt, als er sie ergreifen will, geht der Zauberwahn jedoch mit einer vernichtenden Explosion zu Ende. Homunculus, der künstliche Mensch Kurz darauf findet Faust sich in seinem Studierzimmer wieder, wo sein einstiger Gehilfe und jetziger Doktor Wagner inzwischen Homunculus, den künstlichen Menschen, geschaffen hat. Homunculus rät Mephisto bei seinem Erscheinen, er solle sich mit ihm und dem schlafenden Faust zur alljährlichen Walpurgisnacht nach Griechenland begeben. Dort angekommen, wird Faust auf seine Fragen nach Helena von einer Seherin in die Unterwelt geführt, wo er sich zwischen Fabelwesen und Gespenstern fast verirrt, ohne Helena zu finden. Doch Mephisto bringt sie ihm. Faust geht die Ehe mit ihr ein. Euphorion: Geist und Schönheit Aus der Ehe entsteht der Sohn Euphorion, Symbol der Vereinigung von Geist und Schönheit. Im jugendlichen Übermut strebt er wie einst Ikarus immer höher, bis er tödlich abstürzt und auch die Mutter mit ins Grab reißt. Glück und Schönheit sind zerronnen. Doch mit dem Schwinden der antiken Sphäre fühlt Faust sich zu neuen Taten bereit. Faust als Wirtschaftsmensch Faust stellt sich auf die Seite des Kaisers, der gerade zu einem Schlag gegen Aufständische in seinem Reich aus holt und Faust zum Lohn ein weites Uferland verspricht. Nach dem Sieg mit Hilfe von „Satans Kunst“ ist Faust ein Mensch der Tat geworden. Er betreibt Handel und Piraterie. Millionen Menschen will er Grund und Boden ver schaffen. Das geht allerdings nur auf Kosten des alten Paares Philemon und Baucis, das an der Küste sein Haus hat. Ihre Vertreibung und ihr Tod werden von Faust bewusst in Kauf genommen. Sogar als die Sorge in Gestalt eines grauen Weibes ihn erblinden lässt, nimmt er noch regen Anteil am wirtschaftlichen Geschehen. Nun ist er von Glück erfüllt, erkennt, „es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn“ , genießt den „höchsten Augenblick“ und spricht den Satz der Wette: „Verweile doch, du bist so schön!“ Damit ist sein Leben verwirkt. Mephisto hat offenbar die Wette gewonnen. „Es ist vollbracht“ – triumphierend verwendet der Teufel die Worte, die Christus bei seinem Tod am Kreuz gesprochen hat. Doch als Mephisto den Leichnam Fausts der Hölle übergibt und sich der Seele bemächtigen will, entführen Engel Fausts Seele zu Maria, der „Mater Gloriosa“ , in den Himmel. Im Gegensatz zum Christentum, das an die Auferstehung auch des Körpers glaubt, besteht die Erlösung Fausts in der Trennung des Geistes vom Körper. Im Himmel ist auch Gretchen, als reuige Büßerin hat sie dort Gnade gefunden. Zum Abschluss gibt ein „mystischer“ Chor die Anweisung, das Drama als „Gleichnis“ aufzu fassen. Erstmals in der deutschen Literatur seit Lessings Faust-Fragment von 1759, von dem allerdings nur einige Verse und eine Handlungsskizze erhalten sind, wird Faust nicht verdammt. Versiegelung, Verstörung beim Publikum, Bemühen um Verstehen Am 22. Juli 1831 ist „Faust II“ fertig. Goethe versiegelt das Werk, es soll erst nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Außerdem findet man das Manuskript im Ofen von Goethes Arbeitszimmer. Das gab zu Spekulationen Anlass, dass Goethe das Werk eventuell nicht veröffentlichen, sondern verbrennen wollte. 1833 erscheint der erste Druck, die erste Aufführung findet mehr als 20 Jahre später statt. Erst 1854 wird das auf ein Fünftel gekürzte Stück auf die Bühne gebracht. Für diese späte Aufführung war auch das Unverständnis maßgebend, das die Aufnahme des Stückes beim Lesepublikum prägte. Die Leser/Leserinnen hatten einen reu mütigen, vom Gewissen gequälten Faust erwartet, der seine Schuld büßt und sich von Mephistopheles dis- tanziert. Manchen war der Schluss mit seinen vielen Engelsgesängen zu „religiös-idyllisierend“. Bis heute dauert das Bemühen um ein Verstehen des zweiten Teils von Goethes Fausttragödie an. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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