Literaturräume, Schulbuch

Ehrgeiz erstirbt, wo Massenabsatz kommandie- rende[r] Richtpunkt [ist] und wo der Einzelne in der Masse der Mitarbeiter verschwindet. Die Lust an der Arbeit schlägt in ihr Gegenteil um. Die Vervoll- kommnung des Geräts nimmt dem Menschen eine Arbeit nach der anderen „aus der Hand“, macht ihn überflüssiger, ersetzlicher, entbehrlicher […]. Welche Tragik in diesem „Fortschritt“! 219 Der leseraum Volkswohlstand Je länger der so genannte Volkswohlstand dauert, je hässlicher wird das Land. Die Wälder werden abgeholzt, die Berge aufgeschürft, die Bäche abgeleitet, verunreinigt. Die Wiesen werden mit Fabriken besetzt, die Lüfte mit Rauch erfüllt, die Menschen unruhig, unzufrieden, heimatlos gemacht. Und so fort. […] Dass die Armen nach so viel Geld trachten, um sich den anständigen Lebensunterhalt leisten zu können, das ist zu verstehen. Aber dass die Wohlhabenden noch mehr haben wollen, obschon die Erfahrung überall lehrt, dass das „noch mehr“ das Leben nicht verschönert, sondern verelendet […]! Was bedeutet ein prachtvoller Palast, wenn er in einer Gegend steht, die kahl ist und voll schmut- ziger Papierabfälle und bedeckt mit einer unreinen, stinkenden Luft und bewohnt von unzufriedenen, feindseligen Menschen! […] Es ist ja ganz unfassbar, wie dieses höllische „immer noch mehr Geld haben wollen“ die gescheitesten Leute zu Toren, die rücksichtsvollsten Menschen zu Straßenräubern machen kann. Zu Straßenräubern habe ich gesagt. Ein starkes Wort. Aber wird nicht dem Wanderer, der arglos das Land bereist, um seine Schönheit zu genießen – wird ihm nicht diese Schönheit wegge- nommen, der erquickende Wald, das klare Wasser, die gesunde Luft weggenommen? Und den Einhei- mischen, wird ihnen nicht die liebe traute Land- schaft zerstört? Der Fabriksherr kann sich anderswo schöne Erdenwinkel aussuchen, solange es deren noch gibt, erbaut sich Schlösser in noch unentweih- ten Gegenden, […] oder er geht in Kurorte, wo schöne Landschaft geschäftlich erhalten und krampfhaft noch mehr verschönert wird, um ihm Vergnügen zu machen. Jene Einheimischen aber, denen er mit seinen Gründungen die Heimatgegend verhässlicht hat, die müssen sitzen bleiben bei den qualmenden Schloten, verderbten Wässern und Lüften […]. Welche Natur ist „schön“? INFO Psychologen haben erforscht, dass wir besondere Vorlieben für Landschaften haben, in denen wir aufgewachsen sind. Darüber hinaus gibt es aber weltweit bemerkenswert einheitliche Vorstellungen, wie schöne Natur aussieht. Dazu gehört vor allem ein offener Bewuchs nach Art einer Parklandschaft mit kleinräumigen Waldund Wiesenteilen und Wegen, die in Windungen am Horizont verschwinden. Sehr geschätzt werden Ausblicke auf gut einsehbare Landschaften, als Ideal gilt ein See mit locker bewach­ senen Ufern. Die Ursache für diese Vorlieben liegt in der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Die von uns als schön empfundenen Landschaften waren für das Überleben unserer jagenden und sammelnden Vorfahren besonders günstig. Natur, die damals das Gefühl von Sicherheit gab und die Überlebenschance vergrößerte, wird von uns heute als ästhetisch schön bewertet. 28 30 32 34 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 AUFGABEN > Welche Probleme der Arbeitswelt spricht Rosegger an? > Welchen Unterschied zwischen Handwerk und Industriearbeit sieht er? AUFGABEN > Welchen Unterschied sieht Rosegger zwischen den Möglichkeiten der „Fabriksherren“ und der „Ein­ heimischen“? > Sprechen Sie in der Klasse über die Aktualität/Nichtaktualität der beiden RoseggerTexte! > Schauen Sie sich einen der folgenden österreichischen Filme an, welche die von Rosegger angesprochenen Themen aktuell für unsere Zeit präsentieren: „Darwin ’ s Nightmare“ (2004), Regisseur Hubert Sauper, ausgezeichnet als weltweit bester Dokumentarfilm des Jahres; „Workingman ’ s Death“ (Michael Glawog­ ger); „We feed the world“ (2005) und „Let ’ s make money“ (2008) von Erwin Wagenhofer. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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