Literaturräume, Schulbuch
27 Der leseraum > Welcher konkreten Belehrung von Gurnemanz folgt Parzival, obwohl die Befolgung dieses Rates hier nicht gutes Benehmen, sondern mangelnde Menschlichkeit beweist? > Wo schaltet sich der Autor wieder kommentierend in das Geschehen ein? W AUFGABEN Die letzte Belehrung Am nächsten Morgen findet Parzival alles leer, er steigt aufs Pferd, ein Knappe ruft ihm nach: „Hättet ihr bloß den Schnabel aufgemacht, den Wirt gefragt!“ Parzival reitet weiter. Auf dem Feld der Abenteuer erscheinen nun ande re Artusritter, vor allem Gawan. Ohne Zweifel musste Wolfram auf die Wünsche des Publikums achten. Abenteu er sind der Stoff der höfischen Epik. Nach einer langen Phase der Selbstprüfung und des Nachdenkens wird Par zival seiner Fehler einsichtig, seine Sicherheit, stets das Richtige zu tun und getan zu haben, ist erschüttert. Schließlich begegnet er Trevrizent, einem Einsiedler, und begrüßt ihn mit den Worten: „Herr, ich brauche Rat und Hilfe – ich bin ein Mann, der sündig ist.“ Tevrizents Rat: Wenn Ihr Einsicht zeigt, so müsst Ihr ganz auf Gott vertrauen. Er hilft Euch, denn er ist die Hilfe. […] Er ist zur Hilfe stets bereit. […] Erweist Ihm Treue, unverbrüchlich, ist doch Gott die Treue selbst – Betrug war Ihm schon immer fremd. Wir müssen uns bei Ihm bedanken: Er hat sehr viel für uns getan, Er nahm, in seinem hohen Adel, die Gestalt des Menschen an. Gott heißt und ist die Wahrheit, Lug und Trug sind Ihm verhasst – daran solltet Ihr stets denken. Keinen ließ Er je im Stich. So prägt das Eurem Denken ein und hütet Euch, an Ihm zu zweifeln. Trevrizent erklärt Parzival auch den Gral: Es ist ein kostbarer Stein, der lebenserhaltende Kräfte besitzt, die jährlich am Karfreitag durch eine aus dem Him mel gespendete Oblate erneuert werden. Manchmal erscheint eine Schrift auf dem Stein, die den Gralsrit tern Anweisungen gibt, zum Beispiel darüber, wen sie in die Gralsritterschaft aufnehmen sollen. Gottesfurcht und Menschlichkeit Wenn ein Ritter, so wie Parzival, einsieht, dass er trotz aller Ritterlichkeit ohne Gott nichts vermag, so ist er auf dem rechten Weg. Die Gnade Gottes ist ihm si cher, die zweite Chance wird ihm gegeben. Parzival findet die Gralsburg wieder. Die frühere oberfläch liche Höflichkeit ist der Menschlichkeit gewichen. Parzival stellt nun die entscheidende Frage: „œheim, was wirret dier“ – „Oheim, sag, was quält dich so?“ Amfortas ist von seinen Leiden erlöst, Parzival wird neuer Gralskönig. Eine für die höfische Gesellschaft des Mittelalters bedeutsame Frage ist gelöst: Welt liches Rittertum und Gottesliebe können vereinigt werden, wenn der Ritter nicht überheblich ist, son dern erkennt, dass er auf die Hilfe Gottes angewiesen bleibt. 2 4 6 8 10 12 14 16 Gral, grölen und Monty Python: der Abstieg eines Begriffs INFO Der deutsche Begriff Gral ist aus dem altfranzösischen Wort graal entlehnt, das „Gefäß“ bedeutet. Das von Gral abgeleitete Verb grölen wird zuerst in Nord deutschland gebraucht, wo es gralen lautet. Die im späteren Mittelalter in den Städten veranstalteten Turnierfeste wurden nach dem Heiligtum der Ritter „Gral“ genannt. Die Folge von Trunkenheit und Fröhlichkeit war auch gehöriger Lärm. Das Verb grölen war entstanden. Eine ironische Sicht auf König Artus, seine Ritter und den Gral geben die MontyPythonFilme „Die Ritter der Kokosnuss“ und „Jabberwocky“. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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