Literaturräume, Schulbuch

Der fokus Georg Trakl Ein Österreicher schreibt die herausragendsten expressionistischen Gedichte In Salzburg und Innsbruck, fern von den literarischen Zentren Berlin, München, Wien, entsteht zwischen 1910 und 1914 das lyrische Werk Georg Trakls (1887– 1914). Zu seinen Lebzeiten erscheinen zunächst nur vereinzelt Gedichte in Zeitschriften, vor allem in dem in Innsbruck erscheinenden „Brenner“, einem Forum für avantgardistische Literatur, das bis 1954 bestand. Auch Karl Kraus, der Trakl überaus schätzte, veröffentlichte Gedichte in der „Fackel“. Ein Band „Gedichte“ wird 1913 in dem für den Expressionismus wichtigen Verlag von Kurt Wolff in Leipzig veröffentlicht. Die von Trakl zusammengestellte große Ausgabe der Gedichte erscheint 1915, nach Trakls Tod. Für die Wissenschaft ist Trakls Dichtung „die exzeptionelle Leistung der expressionistischen Lyrik überhaupt“ . Trakl ist im Ausland einer der bekanntesten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Variationen eines Themas Im Jahr 1913 schreibt Trakl in einem Brief an den Herausgeber der Kulturzeitschrift „Brenner“: „Ich weiß nicht mehr ein und aus. Es ist ein so namenloses Unglück, wenn einem die Welt entzweibricht. O Gott, welch ein Gericht ist über mich hereingebrochen. […] Es ist steinernes Dunkel hereingebrochen.“ Was im Brief durch die Wiederho­ lung des Verbums „brechen“ ausgedrückt wird, ist das durchgehende Thema von Trakls Lyrik: der sich schuldig fühlende Mensch, der ohne Orientierung ist und sich von Gott verlassen fühlt. Diese Thematik dominiert so sehr, dass ein Traklforscher das gesamte Werk als nur „ein Gedicht“ bezeichnet hat. Die Bilder für seine existen­ zielle Situation findet Trakl in Natur und Landschaft. Sie spiegeln im Kontrast zwischen Schönheit und Hässlich­ keit den seelischen Zustand des Verfallens und Zerfallens. Unterbrochen werden diese Beschreibungen der Na­ tur durch plötzlich eindringende geheimnisvolle Bilder, welche die Realität verlassen. Das Gedicht „De profun­ dis“, entstanden 1912, zeigt exemplarisch Trakls Bilderwelt. 285 Der leseraum | Der fokus Georg Trakl De profundis Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt. Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht. Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist. Wie traurig dieser Abend. Am Weiler vorbei Sammelt die sanfte Waise noch spärliche Ähren ein. Ihre Augen weiden rund und goldig in der Dämmerung Und ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams. Bei der Heimkehr Fanden die Hirten den süßen Leib Verwest im Dornenbusch. Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern. Gottes Schweigen Trank ich aus dem Brunnen des Hains. Auf meine Stirne tritt kaltes Metall Spinnen suchen mein Herz. Es ist ein Licht, das in meinem Mund erlöscht. Nachts fand ich mich auf einer Heide, Starrend von Unrat und Staub der Sterne. Im Haselgebüsch Klangen wieder kristallne Engel. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 AUFGABE > Lesen Sie das Gedicht laut auf verschiedene Arten: Stellen Sie sich bei der ersten Präsentation vor, der porträtierte Hausmann sei ein lustiger Mensch gewesen; bei der zweiten, er sei ein schwermütiger Charakter; bei der dritten, er sei krank; bei der vierten, er habe gerade über den Durst getrunken, als er von Schwitters porträtiert wurde, etc.! Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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