Literaturräume, Schulbuch
Menschen aus dem Leben boxen, führt Hackls 2010 erschienene Erzählung „Familie Salzmann“ (18) . Dokumen tarisch ist auch der Report „Phi Phi Island. Ein Bericht“ (2007), in dem der Autor Josef Haslinger (*1955) schildert, wie er und seine Familie dem tödlichen Tsunami entkommen sind, der im Dezember 2004 Südostasien traf. In die Geschichte des gesamten 20. Jahrhunderts führt der Roman „Abendland (2007) von Michael Köhlmeier. Auf den Schauplätzen Wien, New York, Lissabon, Moskau, Hiroshima und Nagasaki beschreibt er die Auswirkungen der „großen“ Politik auf mehrere Generationen. Das Unheimliche als Thema der Literatur Eine alte österreichische Tradition Die Darstellung des Unheimlichen, Phantastischen und Bedrohlichen sind traditionelle Themen der öster- reichischen Literatur schon seit dem 19. Jahrhundert. Halluzinationen und Wahnvorstellungen, die Anwesenheit in Räumen, die es gar nicht gibt, und die Entdeckung eines Doppelgängers prägen das Leben der Hauptfigur des Romans „Der Golem“ von Gustav Meyrink (1868–1932). Der Roman „Die andere Seite“ von Alfred Kubin (1877– 1959), der auch als Graphiker Weltgeltung hat, vermischt Traum, Albtraum, Märchen und Wirklichkeit ebenso wie Leo Perutz (1882–1957) in seinem Roman „Der Meister des jüngsten Tages“. Unheimliches, Unbegreifliches und der Verlust der Kontrolle über die Realität charakterisieren auch viele Texte der neuesten österreichischen Literatur. Häufig wird der große Einfluss Franz Kafkas spürbar, wie zum Beispiel im Band „Die Kinder beruhigte das nicht“ (19) von Alois Hotschnig (*1959). Eine besondere Überraschung erlebt Jonas, ein 35-jähriger Wiener, in dem wie Hotschnigs Buch 2006 erschienenen Roman „Die Arbeit der Nacht“ (20) von Thomas Glavinic (*1972). Was Jonas beim Aufwachen am 4. Juli erlebt, ist zunächst lästig, dann verstö rend und schließlich katastrophal. Jonas ist auch die Hauptfigur im Roman „Das Leben der Wünsche“ (2009). Er hat, wie im Märchen, drei Wünsche frei und wünscht sich, dass alle seine Wünsche in Erfüllung gehen. Doch diese Erfüllung ist ein Albtraum, die Wünsche lassen sich nicht steuern und führen zu Tod und Horror. Von 7.000.000.000 auf 0 herunter zählt kapitelweise der Roman „Jetzt die Sirenen“ (2009) des 1988 geborenen Autors Lukas Meschik. Sieben Milliarden, das ist die Zahl der Menschen auf der Erde, die in einem weltweiten Kriegs konflikt vernichtet werden. Die „Neue Subjektivität“ Wie bleibt man ein Ich? Eine charakteristische Strömung der Gegenwartsliteratur ist die so genannte „Neue Subjektivität“. Ihr Thema ist die Frage, wie man in einer Gesellschaft, in welcher der Einzelne unter dem Aspekt der Funktionalität und Aus tauschbarkeit gesehen wird, als selbstbestimmtes Individuum existieren kann. Verbunden ist diese „Neue Subjek tivität“ in Deutschland vor allem mit Botho Strauß (*1944). Strauß’ Werk „Paare Passanten“ (1981) zeigt die Leere der Beziehungen, die zum „Verkehrsfluss“ – so ein Kapiteltitel – degradiert sind. Das Schreiben dient den Autoren und Autorinnen der „Neuen Subjektivität“ als Versuch, sich von der „verfluchten Passanten-Welt“ ab zugrenzen, in der alle nur aneinander vorbeihasten. Diese Abgrenzung gelingt nur, wenn man nicht mittut. Aller dings wird man dann zum „Gegenwartsnarr“ und zum „Versprengten“ . So sieht sich zumindest Botho Strauß. Der hervorragendste Vertreter dieser Literatur ist ohne Zweifel Peter Handke . Der Roman „Mein Jahr in der Nie- mandsbucht“ soll als Lesebeispiel dienen (21) . Die Versuche der Menschen, aus ihrem fremdbestimmten Alltag herauszukommen, ist auch das Thema der Werke von Walter Kappacher (*1938). So bricht zum Beispiel in „Selina oder Das andere Leben“ ein Gymnasiallehrer aus, um in Italien zumindest eine Zeit lang ein zwar unge wisses, aber glücklicheres Leben zu führen (22) . Sensationen Ein Tagebuch und ein Briefwechsel Die Literaturkritik ist sich einig: Man spricht von einem „sensationellen Fund“ , einer „wirklichen Entdeckung“ , einem „hoch bedeutenden Dokument der größten Dichterin deutscher Sprache“ . Die Begeisterung gilt Ingeborg Bachmanns „Kriegstagebuch“ , geschrieben in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs und in den ersten 371 die literaturübersicht Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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