Literaturräume, Schulbuch

376 die gegenwartsliteratur – mit österreichschwerpunkt Rechtsanwalt: Vor dreißig Jahren, mein Lieber, hätt ich Ihnen noch mit Taten zur Seite stehen können, heut ist mir ja nur mehr ein Rat erlaubt. Bauer: Und was tat uns der Herr Notar raten, wenn i fragen darf? Rechtsanwalt: Machens das, was wir vor dreißig Jahren mit solchen Individuen gemacht hätten. Bauer: Und was hat der Herr Notar seinerzeit mit solche Individuen gemacht? Rechtsanwalt: Was ich damals gemacht habe? Nix, nichts, Tonhofbauer. Da müssen Sie sich an unseren lieben Doktor wenden, der war für sowas zuständig. Bauer (zum Arzt) : Herr Doktor, sagens mir die Krankheit vom Volte, mir is jede Behandlung recht. Doktor: Tonhofbauer, ich hab Ihnen schon oft genug gesagt, Ihrem Sohn Valentin, dem fehlt nix! Bauer: Dann … dann … Herr Doktor … is er ein gesunder Mensch, Herr Doktor? Doktor: Mein lieber Tonhofer, wir Mediziner können feststellen, was ein gesunder und ein kranker Organismus ist … falls Sie mich verste- hen können? Bauer: Doch, doch … Doktor: Was hingegen ein gesunder oder kranker Mensch is […] ja, was ich sagen wollte, Tonhof- bauer, Ihr Sohn is gesund, pumperlgsund, aber Ihre Kühe, Ihre Hühner … Ihre Schweine, die sind doch auch gesund … pumperlgsund, oder? Bauer: Doch, doch … mein Viehbestand ist gesundheitlich … is gesund, alles. Doktor: Sehen Sie, dasselbe gilt für Ihren Sohn. Auch er ist ‚gsund‘. Bauer: Aber … aber … er redt ja nix!?! Doktor: Reden Ihre Küh? Ihre Schwein vielleicht? Bauer: Na!! Um Gottes willen, na! Aber … de stech i ja ab!?! (Der Doktor hebt die Achseln.) Knecht: Er sagt, wies is. Pfarrer: Meine Brüder, meine Herrschaften! Ich hab mir die ganze Sache angehört, das ganze Für und Wider, und muss sagen … ja, was wollt ich sagen? Wie stehts doch so schön in der Genesis … Knecht (unterbricht ihn) : In was, bittschön? Bauer: Halt die Goschen, wennst net Lateinisch kannst! Wenn der Herr Hochwürden die unfeine Bemerkung vom Knecht entschuldigen möcht. Pfarrer: Macht euch die Erde untertan! Herrschet über des Meeres Fische, über des Himmels Vögel und über alle Lebewesen, die auf Erden wimmeln! Knecht: Wann er wenigstens nur wimmeln tat, wie Hochwürden so schön sagt, aber er grunzt ja a. (Valentin grunzt.) Pfarrer: Dieser, dieser Dingsda ist ein … wir alle sind Geschöpfe Gottes. Gott sprach, die Erde zeuge Lebewesen, je nach ihrer Art: Vieh, Gewürm und das Wild. […] Rechtsanwalt: Juridisch könnte man da vielleicht von einer subhumanen Erscheinungsform sprechen, wenn das Ganze strafrechtlich über- haupt in Frage kommt. Pfarrer: Gott liebt alle seine Geschöpfe. Bäuerin: Mein Gott, Herr Hochwürden, könnt der liebe Gott dann net unseren Volte zu sich auffenehmen, mir mögen ihn gar net mehr. […] (Valentin grunzt.) Pfarrer: … ja, was wollt ich denn geschwind sagen? (Valentin grunzt) Pfarrer: … am Anfang war das Wort (Valentin grunzt.) Pfarrer: … der Kerl macht mich ganz nervös! Bauer: Hochwürden, mir sind a alle nervlich schon total hin, was, Mama? Doktor: Lieber Pfarrer, ich glaub, Sie sollten der geplagten Familie sagen, was nun eigentlich zu tun is. Pfarrer: Ja, für was red ich denn die ganze Zeit? Perlen vor die Säue … (Valentin grunzt.) Pfarrer: … aber wirklich. Ich zitier die halbe Bibel, und Gottes Wort geht diesem Landvolk beim einen Ohr rein und beim anderen wieder hinaus. Macht euch die Erde untertan, wie oft soll ichs denn noch sagen. Bauer: Müssens schon entschuldigen, uns sind die heiligen Wörter net so geläufig. Doktor: Fragens ihn, Herr Pfarrer, ob ihm die Landwirtschaft, Milchgewinnung, Sauschlachten und so … geläufig is. Bauer: Da kann mir keiner was dreinreden. Pfarrer: Niemand will ihm was dreinreden, mein Sohn. Jeder nach seinen Gaben. Gott segne unser Landvolk! Bäuerin: Mit dem hochwürdigen Segen kann nix mehr schiefgehen. (Valentin grunzt.) Doktor: Zeigens uns, was Sie von der Landwirt- schaft verstehen, Tonhofbauer! Nicht jeder Bauer is auch ein guter Fleischhauer … Bauer: Wenns von die Herren gewünscht wird, leg i euch a erstklassige Schlachtung hin! Lehrer: Lass auf der Worte Klang die harten Taten 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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