Literaturräume, Schulbuch
Das Ende des Sauschlachtens Das Stück endet mit einer Bühnenanweisung und einer kurzen Wortmeldung der Bäuerin: Die Uraufführung des Stückes in München 1972 entzweite das Publikum. Ein Theaterkritiker berichtet: 377 Der leseraum folgen. Unsere Altmeister haben ja wirklich schon alles gesagt. […] Rechtsanwalt: Schaffens uns diese rechtswidrige Erscheinung vom Hals, Bauer. Pfarrer: Gottes Geschöpfe sind vielfältig. Es gibt solche und solche. Knecht: Was wiegts, das hats. (Bauer, Knecht und Franz beginnen Valentin hinauszuschleifen. Valentin grunzt.) Bauer: Was wirds denn wiegen, das Viech? Speck is ja grad net viel oben, aber dafür gut durchzogen. Franz: Da sind einige Schmalzbrot drin. Resi: I freu mich schon auf a dicke Blunzen. Franz: I steh auf Sauschädel mit Kren. Knecht: Zuerst wird die Leber gfressen. Wer das Kleine net ehrt, is das Große net wert. Bäuerin: Wirds wohl noch erwarten können, bis die Sach am Tisch steht. (Der Pfarrer, der Lehrer, der Arzt und der Rechtsan walt blicken der abziehenden Bauernfamilie nach. Valentin wird in den Hof geschleift. Die Türe der Bauernstube bleibt offen, sie gibt den Blick auf einen Teil des Hofes frei. Stille. Die Honoratioren des Dorfes verharren bewegungslos.) Die eigentliche Schlachtung findet draußen im Hofe statt. Sie wird vom Publikum gehört, aber nicht gesehen […]. 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 Turrini über seine Stücke „was mich interessiert, ist das publikum: ich vertraue auf den umstand, dass der menschliche körper nicht bei den schultern aufhört und dass die rübe nicht nur zum fressen da ist. meine stücke verkünden keine ewigen werte, sie stellen aktuelle fragen. den anspruch auf unsterblichkeit können sich alle germanisten, schöngeister und germanen aufs metaphysische butterbrot schmieren. meine stücke sind jetzt wichtig und morgen papier. […] wer sich damit auseinandersetzen will, sehr gut. wer sich damit den hintern auswischen will, auch gut. aber nicht öffentlich.“ INFO (Ende der Schlachtszene. Die Honoratioren haben die Bühne verlassen. Die Bühne ist leer, wie zu Beginn des Stückes. Die Lichtverhältnisse sind wie zu Beginn des Stückes. Stille. Es läuten die Mittagsglocken, wie zu Beginn des Stückes. Die Bäuerin betritt die Bühne, wie zu Beginn des Stückes.) Bäuerin: Hörts net Zwölfeläuten? Kommts essen, es is angricht. Der Schweinsbraten is a schon fertig. (Der Vorhang fällt, und die Zuschauer verlassen den Saal. Oder: Der Vorhang fällt nicht, und die Schauspieler essen solange Schweinsbraten, bis die Zuschauer den Saal verlassen.) Türen schlagend verlassen empörte Besucher das Theater, der Schluss des Stückes droht in wüsten Pfeifkonzerten und höhnischen Zwischenrufen unterzugehen, ein Trommelfeuer von Buhs und Pfiffen prasselt auf den Autor Peter Turrini nieder, der es mit zufriedenem Grinsen an sich abprallen lässt, und animiert die beifallsfreudigere Hälfte des Publikums zu energischen Bravos: Der Skandalerfolg war da bei der Uraufführung von Sauschlachten im Werkraumtheater der Münchner Kammerspiele. 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 AUFGABE > Fassen Sie in einem Stichwortzettel die „Begründungen“ der Vertreter der Öffentlichkeit zusammen, mit denen sie Valentin zur „Sau“ machen! AUFGABE > Verfassen Sie in Kleingruppen das Gespräch eines Kritikers/einer Kritikerin des Stückes mit einem Anhänger/ einer Anhängerin. Nehmen Sie dabei die Position ein – Ablehnung oder Akzeptanz des Stückes –, zu der Sie selbst neigen. Vergessen Sie aber nicht auf die Begründung Ihrer Haltung! Nu zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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