Literaturräume, Schulbuch

380 DIe gegenWartslIteratur – mIt österreIchschWerpunkt 5 „Hau ab, alte Frittatn!“ Antonio Fian: „Lehrer im Alltag“ (2004) Makabre Witze Antonio Fians Minidramen provozieren mit absurden Dialogen, schwarzem Humor, makabren Witzen und Poin­ ten und sind von vorneherein nicht für eine Bühnenaufführung geschrieben. Hier ein Drama über eine Deutsch­ professorin im winterlichen Alltag. Bauch … […]. Frau Kovacic: Ja, mein gutes Lebensgefühl ist auch auf eine merkwürdige Reise gegangen mit mir. Herr Kovacic: Bei mir geht der ganze Körper mit dem Körper aus dem Körper hinaus … Frau Grollfeuer: Das ist der Alkohol, Kovac, der beschleunigt diesbezüg- lich das geträufelte Gift, mein lieber verreckender Kovac. (Alle winden sich im Todeskampf.) Herr Kovacic (mühsam) : Kova…cic. Frau Grollfeuer: Jetzt wird alles dem Erdboden ungleich gemacht. Lebens- berechtigungsgutscheine werden massenhaft eingezogen, ohne einen geistig unterentwickelten Kriegsvorgang. (Sie holt unter einem Schrank ein riesiges Messer hervor.) Immer schon wollte ich einmal in so einen erbärmlichen Mietshauskörper hineinstechen. (Sie sticht dem sterbenden Kovacic in den Bauch und lacht.) … In einen richtigen Familienvaterkörper. … den originalen Grollfeuer konnte ich nur vergiften und nicht stechen. Ich war mir noch zu jung und viel zu schön für ein Gefangenenhaus. Frau Wurm (sterbend) : Gott wird Ihnen … einen glühenden Laternenpfahl … in den Unterleib rammen. (Sie stirbt.) […] INFO „ Schocktheater “ schreibt auch Marlene Streeruwitz. Die Titel ihrer Dramen verführen zum Träumen: „New York. New York “ , „WaikikiBeach “ , „Ocean Drive “ , „Elysian Park “ . Der reale Schauplatz und der Inhalt der Stücke haben allerdings mit Idylle nichts zu tun. „New York. New York “ spielt in einer Männertoilette, „Waikiki­ Beach “ in einer Abrissbu­ de, „Ocean Drive “ unter Rauschgifthändlern. (Wien imWinter. Eine Fußgängerunterführung. Ein betrunkener Mann mittleren Alters, aus der Nase blutend, liegt bäuchlings auf dem Boden und ruft um Hilfe. Eine Mittelschulprofessorin für Deutsch kommt vorbei und tritt zu ihm.) Die Professorin: Was ist Ihnen geschehen? Der Mann: Zerlegt hat’s mich. Die Professorin: Das kann nicht sein; Sie bluten zwar ein wenig, aber sonst sind Sie ganz. Der Mann: Dann halt aufg’stellt. Die Professorin: Sie liegen auf dem Bauch. Es kann Sie unmöglich aufgestellt haben. Der Mann: Herrgott! Z’ammdraht hat’s mi! Die Professorin: Nein nein. Sie liegen ganz ausgestreckt. Können Sie mir nicht endlich sagen, was Ihnen zugestoßen ist? 2 4 6 8 10 12 14 16 92 94 96 98 100 102 104 106 108 AUFGABE > Schreiben Sie auf „Schwabisch“ in freier Form ein Statement zumThema „Schockdramen – warum ich sie interessant finde / warum ich sie ablehne / warum sie mich kaltlassen“. Eine Schülerin schrieb zum Beispiel nach der Lektüre von „Volksvernichtung“ einen „schwabischen“ Brief an den Autor, in dem sie auch originales Sprachmaterial aus dem Stück verwendete. Hier der Beginn: „Geehrter Herr Schwab, die meinige Leiblichkeit war der Einladungsidee unseres Deutschlehrers ordentlich gefolgt, das Ihrige Drama Volksvernichtung lesen zu müssen. Das war eh gut, meine Mama hat nämlich immer Sorgen gehabt, dass Sie den ordentlichen Menschen in uns mit Ihrer Kunst hinauswerfen täten aus dem Hirn. Und dass Sie nur Innereien produzieren täten, die aus einem dezimierten Hirn herauskommen täten. Ich bin mir aber auch nicht ganz sicher, ob die Geschichte von der Grollfeuer nicht in jeder erstbesten Grube eingegraben gehören muss. Aber eher tue ich das nicht glauben, weil das Drama zwar verformt, aber höchstens unterscheußlich ist. Eine Bedankung meiner Art können Sie zwar nicht ernst erwarten, aber […].“ Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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