Literaturräume, Schulbuch

385 Der leseraum 8 „Knochen krachen, Sehnen reißen, Adern platzen; Bänder überdehnen, überleben trotzdem irgendwie.“ Elfriede Jelinek: „Ein Sportstück“ (1998) Arnie und Niki Die ÖsterreichNote erhält „Ein Sportstück“ durch leicht identifizierbare Sportheroen wie Arnie und Niki. Doch der Autorin geht es in diesem Werk mehr als um die Kritik an Sportpatriotismus und chauvinismus. Dem Sport im Allgemeinen gilt ihr Augenmerk. Handlung gibt es im Stück keine, auch keine individuellen Personen, nur vom Sport geprägte oder zerstörte Typen. Sie heißen „Mann“, „Frau“, „Opfer“, „Täter“, „Sportler“. Chöre, die Jelinek nach Art der griechischen Tragödie einsetzt, tragen alle „adidas oder Nike oder wie sie alle heißen, Reebok oder Puma oder Fila und so“ . Dafür treten die Soldaten gemütlich in Jeans und Baseballkappen auf. Die Chöre selbst weisen auf die Parallele von Gewalt und Sport hin, sie sind hinter einem „Fanggitter, das zwei Fangemeinden voneinander trennen muss, damit sie sich nicht sofort ge- genseitig an die Gurgel gehen“ . Der Sinn des Sports: „dass es den Menschen nichts ausmacht, sterben zu müssen“ . Das Harmloseste am Sport ist der Wunsch, den Körper der anderen so zu formen, dass er möglichst gefällig wird, denn andere Methoden sind etwas schwieriger zu realisieren: „Ich kann meinen Alois ja nicht gut auf die Wäscheleine hängen und schauen, ob er sich selber in Form bringt.“ Und dazwischen immer wieder Monologfetzen der trauernden Mutter des Body­ builders Andi, der, „Arnie“ nacheifernd, an einer Überdosis Anabolika stirbt. Lesen Sie Ausschnitte aus dem „Sportstück“ und widmen Sie sich den angeschlossenen Arbeitsvorschlägen. Knochen krachen, Sehnen reißen, Adern platzen, Bänder überdehnen, überleben trotzdem irgendwie. Die menschlichen Körper beim Sport sind wie Pizzaschachteln oder Wegwerfbecher, zuerst sind sie schön, und dann sind sie benutzt, ja: vernutzt! Aber sie sind immerhin waschbar und pflegeleicht, dank den modernen Fasern, die der Schöpfer auf sie verwendet hat […]. Sportler sind wie Soldaten, ein jeder legt sein Bestes ins Trikot. Olympia wiederum ist dazu da, sie zu leh- ren, ein Glied in einer Maschinerie zu sein. […] Andi: Hören Sie! Kaum habe ich mir die Hierogly- phe des Sports in meinen Körper eingravieren lassen, hat der Sport auch schon begonnen, meinen Körper, seinen lieben Wirt, ja den, mit den anheimelnden bunten Bildern vorm Haus!, von innen her aufzu- fressen. […] Von alleine wächst sie nicht, die Muskelmasse, auch wenn sie Ihnen in der Apotheke versprochen wurde. Gott hat mit Ihrem Körper rein gar nichts zu tun. Was er Ihnen gegeben hat, ist nichts. […] Zuerst stellen sie den Sportler auf einen Balkon, brüllen wie verrückt, und dann vergessen sie ihn. […] Nobelpreis für Elfriede Jelinek Als erste Österreicherin erhielt die Autorin 2004 den Literaturnobelpreis. In der Begründung der für die Auszeichnung zuständigen Schwedischen Akademie heißt es, dass Jelinek „mit ihrem Zorn und mit Leidenschaft ihre Leser in den Grundfesten erschüttert“ . Sie werde geehrt für ihre Romane und Dramen, die die „Absurdität und zwingende Macht sozialer Klischees enthüllen“ . Dass die Verleihung offenbar nicht einstimmig beschlossen worden war, zeigte sich ein Jahr später. Einen Tag vor der Verleihung des Literaturnobelpreises für 2005 an den Engländer Harold Pinter gab der schwedische Literaturprofessor Knut Ahnlund seinen Abgang aus dem Komitee bekannt. Seine Begründung: Die Ehrung Jelineks, deren Werke „armselig und dürftig seien“ , nichts als „jammernde und lustlose Gewaltpornografie“ , habe den Wert der Auszeichnung „auf absehbare Zeit zerstört“ . INFO Elfriede Jelinek 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 AUFGABE > Ordnen Sie den Ausschnitten folgende Titel zu – Mehrfachzuordnungen sind möglich: Sport und Doping; Sport und Uniformierung; Sport und Zerstörung des Körpers; Sport und kurzer Ruhm; Sport und Verlust der persönlichen Identität. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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