Literaturräume, Schulbuch
Kapitel zwei: Jessica hat genug 1997 hatte Streeruwitz den Roman „Lisa’s Liebe“ publiziert, eine Parodie auf die HappyendHeftchenromane. Lisa lässt sich von den anderen grenzenlos ausnützen. Kommen Probleme auf sie zu, reagiert sie passiv, mit Hautaus schlag oder Zahnfleischbluten. Jessica ist anders, ihr reicht es. Der Grund: Ihr „Lover“ Gerhard Hollitzer zwingt sie um Mitternacht zu demütigenden Sexualpraktiken, während er gleichzeitig als besorgter Ehemann mit seiner Frau telefoniert. Und überdies hat Jessicas Freundin Mia, ihre „Vorgängerin“ bei Hollitzer, ihr berichtet, der Staatssekretär habe sie zwei Tage lang ans Bett gefesselt, ohne sich um sie zu kümmern. Hollitzer ist nicht irgendjemand. Er ist Staatssekretär für „Zukunft und Entwicklungsfragen“. Der Fall wird zum Politkrimi. Kapitel drei: Rechnet Jessica ab? Jessica bekommt Beweise dafür, dass Hollitzer und seine Politikerfreunde mit Geldern des Parlamentklubs im Hotel Panhans am Semmering Orgien gefeiert haben. Die „Partnerinnen“: illegal eingeschleuste Frauen aus Ost europa. Moralische Skrupel kennt Hollitzer nicht, denn „die Frauen, die haben schließlich gut verdient, dass die keine Arbeitserlaubnis in Österreich haben, dass denen jeder Asylantrag abgelehnt werden würde, das muss die Freier ja nicht interessieren, und dass die das nicht so unbedingt freiwillig tun, das hat man ja nicht sehen können“ . Jessica möchte abrechnen, mit Hollitzer als Mann und als Politiker. Die beste Methode scheint ihr eine Veröffent lichung in den Medien. Doch die LifestyleZeischrift, für die sie arbeitet, hat sich der totalen „Publikumshurerei“ verschrieben, und das „Spannendste, was sie in ihrem Blatt da bringen kann, ist, wenn sich in einer Chanel-Boutique ein Versace-Gürtel findet“ . Und auch „News“ hat abgelehnt. Ihr einziger Weg, um in die hohe Politik wenigstens „die Erinnerung an Moral“ zu bringen, bleibt ein Flug nach Hamburg, zum Magazin „Stern“. Ob aber der „Stern“ tatsächlich die Skandale bringen wird, lässt Streeruwitz offen. Jessica befindet sich im Landeanflug auf Hamburg, im Begriff einzuschlafen. Das letzte Wort des Romans lautet „und …“ . 391 Der leseraum gelaufen ist, das muss sich ändern, ich muss wieder eine Kondition, das war ja richtig depressiv, wie ich mich da entlanggeschleppt habe, das ist Besorgnis erregend, das ist richtig Besorgnis erregend, zu Sylvester schlafen, beim Laufen nur schnaufen, nächtliche Eisorgien, leichter Sexekel, ja, eigentlich graust mir, ein bisschen graust mir davor, irgendwie ist das gerade nicht meins, und ist dieser Lippenstift o.k., oder ist der zu blass, der ist zu blass für den Pullover, da ist der cool red besser, mein Gott, jetzt war das auch noch das letzte kleenex, mit den bellawa-Wattebauscherln, wunderbar, da sind jetzt auch noch Flankerln um den Mund, weiße Flan- kerln, überall weiße Flankerln, löst sich meine schöne Seele auf, in weiße Flankerln und ist ja dann doch Schmutz, so, der dunkle, das ist besser, oder alles weg, und nur foundation und ein Hauch Terracotta um die Augen, aber dafür ist jetzt keine Zeit und ich bin nicht Cate Blanchett, so sollte man aussehen, besonders, es dürfte nicht einmal klar sein, ob man schön oder hässlich ist, nur besonders, […] die Haare gehören hinauf, mit dem Rock gehören sie hinauf, das machen wir jetzt noch, mit dem Rollkra- gen schaut das nicht gut aus, wenn die Haare nicht frisch gewaschen sind, da hängen sie traurig, o. k., das muss reichen, und wenn ich laufen gehe und kein Fleisch esse, dann ist das ja auch schon ganz gut, das tut mir immer gut, vegetarische Wochen, ganz vegetarisch sein, das wäre das Beste, aber dazu bin ich zu chaotisch, dann vergesse ich es wieder und komme erst am Ende vom knusprig gebratenen Rindfleisch im Kiang drauf, dass ich eigentlich vegetarisch sein wollte […]. 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 AUFGABEN > Lesen Sie zum Beispiel im Internet unter http://www.bravo.de eine BravoKolumne von Dr. Sommer und untersuchen Sie seine Ratschläge auf deren Gehalt und konkrete Aussage zu den an ihn gestellten Fragen! Um welche Fragen geht es in erster Linie? Diskutieren Sie, ob man Dr. Sommers Aussagen als emanzipato risch bezeichnen könnte! > Welche Parallelen gibt es zwischen dem Frauenbild von LifestyleMagazinen und dem Rollenbild, dem Jessica nacheifert? Gliedern Sie die Artikel eines solchen Magazins, etwa einer „Woman“Nummer (auch Internetausgabe), in Themenbereiche und stellen Sie fest, welche Themen in welchem Ausmaß dominieren! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv
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