Literaturräume, Schulbuch
394 DIe gegenWartslIteratur – mIt österreIchschWerpunkt 15 „Der tut nichts mehr. Ich habe ihn unschädlich gemacht.“ Olga Flor: „Kollateralschaden“ (2008) 16:30 bis 17:29 – vom Einkauf zum Blutbad Knapp ein Dutzend Menschen agieren in Olga Flors „Kollateralschaden“. Minute für Minute zeichnet der Roman deren Gedanken, Ängste, Urteile, Vorurteile auf. Kristallisationspunkt des Geschehens ist ein Supermarkt, der zum Schlachtfeld wird. Ab 17 Uhr 18 vollzieht sich dort ein blutiger Showdown. Die Hauptbeteiligten: Mo, Luise H.W., Erich Wackernagel und Horst. war. Sie blieb stehen, stieg aus dem Auto aus und ging zu dem Fuchs, der Fuchs tat ihr leid und sie nahm ihn und begrub ihn neben der Straße und legte einen flachen Stein darauf und oben eine Ähre, die sie aus dem Grasstreifen hinter dem Zaun abgerissen hatte, und gab dem Fuchs einen schönen Namen. Dann stieg sie ins Auto und fuhr heim. Die Bilder auf den Plakatwänden, aus dem Fernse- hen, aus den Zeitungen, in den Köpfen, die machen unsere Welt. Und unser Leben. Was wir sehen, ist unser Leben. Und wenn wir nur fernsehen, ist das unser Leben. Dann wundern wir uns, dass wir sterben können. Ein Mann ruft bei einem Unternehmen an und fragt, wo denn sein Geld bleibe. Sie hätten ihn doch benachrichtigt, dass er den ersten Preis gewonnen habe. Die Sekretärin am Telefon muss lachen. Man hat mir aber einen Brief geschickt, der war unter- schrieben von jemandem, der Notar ist. Die Sekretärin am Telefon lacht noch lauter. Entschuldi- gen Sie, sagt sie. Der Mann fragt, was ist denn los? Ja, man kann sich zu essen kaufen. Ja, man kann sich Pflanzen kaufen. Boden, Grund, Gras, ein Grab. Ja, man kann sich Tiere kaufen. Ja, man kann Men- schen kaufen. 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Um 16:41 bricht Mo zum Supermarkt auf. Er möchte dort einen Parkour von einem Ende zum anderen hinlegen. AUFGABE > Geben Sie den einzelnen Gedanken Aschenwalds Ihren „persönlichen “ Titel! Mo, 16:41 Eigentlich heißt er Morgan und ist das Produkt eines Hard-Rock- Festivals in Bärnbach Anfang der Neunziger. […] Man stand auf solchen Veranstaltungen knöcheltief in einem Matsch aus Bier, Zigaret- ten, Essensresten und zertretenen Pappbechern, was anderes war nicht zugelassen […], und seine Mutter hatte ihr Interesse für die arabische Welt in Gestalt eines wunderschö- nen Libyers entdeckt. Leider war das Interesse ein wenig einseitig gewesen, und so hatte Mo seinen Vater […] nicht kennengelernt; alle Versuche, ihn über die Veranstalter des Festivals ausfindig zu machen, waren gescheitert. Und Morgan hieß etwas wie ‚auf See geboren‘, klang schön und dunkel, meinte seine Mutter, und passte zu seiner Herkunftsgeschichte, da ja das Meer irgendwo zwischen Libyen und Österreich lag. Ziemlich weit hergeholt, fand Mo […] 2 4 12 14 16 18 20 22 24 6 8 10 Mos Hobby ist Sport, genauer gesagt Parkour. Das Wesen von Parkour: Der Sportler, der „Traceur“, nimmt den kürzesten Weg von A zum selbst gewählten Ziel B und überwindet dabei alle Hindernisse. Mos Motivation: Die Überwindung jedes möglichen Hindernisses im freien Gelände, die erfolgreiche Durchquerung jeder beliebigen Strecke, wenn man das konnte, dann war man fit für das Überleben auch unter härtesten Bedingungen, […] das war schließlich der Sinn der ganzen Technik; zumindest, dachte Mo, wenn das Überleben vom Weiterkommen abhing. Und über die mexikanische Mauer brachte einen das wohl kaum. Und von Gibraltar nach Spanien schon gar nicht. Egal. Olga Flor 2 4 6 8 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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