Zeitbilder 4, Schulbuch

152 Gedenktage und Gedenkjahre – private und öffentliche Kultur der Erinnerung Wir alle kennen Tage, an denen wir uns an bestimmte Ereignisse oder Personen erinnern. Dies können positive Anlässe wie Geburtstage, Hochzeiten oder Abschlussfeiern sein, aber auch traurige Vorkommnisse wie Todesfälle oder Katastrophen. In der öffentlichen Erinnerung gibt es ebenfalls solche Gedenktage. Man erinnert dabei meist an die Wiederkehr eines folgenreichen Ereignisses (zB eines Krieges, einer Revolution, politischer Umstürze, staatlicher Unabhängigkeit, …). Einige derartige Gedenktage sind sogar offizielle nationale Feiertage geworden. Manchmal werden außerdem öffentliche Gedenkjahre begangen. Davon spricht man, wenn sich in einem bestimmten Jahr bedeutende geschichtliche Ereignisse jähren. Ein Beispiel dafür sind in Österreich die Jahre 1848, 1918, 1938, 1968, 1978 und die Jahre 1945, 1955, 1995. Symbole der Erinnerung Der Wunsch nach Gedenken gehört offen- sichtlich zur Geschichte der Menschheit. Schon in der Antike wurden teilweise spektakuläre Erinnerungszeichen gesetzt. In vielen Ländern, auch in Österreich, setzte man über Jahrhunderte Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Wissenschaft oder Militär Denkmäler. Interessant ist, die jeweiligen Gründe und Motive dafür zu erforschen. Erinnerung bewahrt nicht nur Vergangenes, sondern ist auch ein Spiegel der Gegenwart. Warum und wie wir Erinnerungspflege betreiben, welche Denkmäler enthüllt und welche Jubiläen gefeiert werden, sagt viel über unsere Kultur aus. Damit wird nämlich zum Ausdruck gebracht, welche Werte und Ideen einer Gruppe, einer Gemeinschaft, einem Staat wichtig sind. Durch einen kritischen Umgang mit der Geschichte und mit unseren Erinnerungen daran ist es möglich, die Gegenwart besser zu verstehen und die Zukunft bewusster zu gestalten. Denkmäler als Erinnerungszeichen An wen wird erinnert? Die Bewertung historischer Ereignisse und Personen unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Sie ist aber auch abhängig von der jeweiligen Zeit, in der an sie erinnert wird. Erinnerungskulturen sind also einem Wandel unterworfen. Dies kann man anhand der Denkmäler aufzeigen, die nach 1945 errichtet worden sind und sich auf die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg beziehen. Der Umgang mit diesen Themenfeldern in Österreich ist nämlich Ausdruck der jeweiligen politischen Verhältnisse: Unmittelbar nach dem Krieg wurden Gedenkstätten für die Opfer der NS-Diktatur, Soldatenfriedhöfe und Denkmäler für die alliierten Armeen und einige Denkmäler für Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer errichtet. Im Laufe des Kalten Krieges aber rückte man davon wieder ab. In den Mittelpunkt der Erinnerungskultur – vor allem in den 1950-er Jahren – gerieten nun die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Damals wurden in fast allen österreichischen Gemeinden Kriegerdenkmäler errichtet bzw. jene aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erweitert. Hingegen blieb das Gedenken an die Verfolgten der NS-Herrschaft und die Erinnerung an die Opfer des Widerstandes bis in die 1980-er Jahre weitgehend verdrängt. Denkmäler für sie hätten nicht zur damals weitverbreiteten Behauptung gepasst, Österreich sei selbst nur Opfer des Nationalsozialismus gewesen. Denkmal für Maria Theresia in Klagenfurt (Fotografie, 2010) Du bist dran • Für Herrscherinnen und Herrscher wurden immer wieder Denkmäler errichtet. Welche gibt es in deiner näheren Umgebung? • Finde heraus, wann und zu welchem Anlass sie gebaut wurden. • Wählt eines der im Text erwähnten Jahre aus und findet heraus (Internet, Schulbuch, …), an welches Ereignis erinnert wird. Stellt eure Ergebnisse der Klasse vor. • Recherchiert auf www. mauthausen-memorial. at Informationen zur KZ- Gedenkstätte. Gestaltet aus euren Ergebnissen eine Dokumentation (siehe S. 130). Gedenken und Erinnern im Wandel der Zeit N r zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=