Lasso Lesebuch 3, Schulbuch

Miteinander 19 Die Kinder sitzen für eine Weile betroffen und nachdenklich da. Sogar Moritz und Otto schweigen. „Die arme Anna“ , denkt Marie. „Es muss schrecklich sein, wenn jemand stirbt, den man so sehr lieb hat!“ Zu Hause stochert sie gedankenverloren in ihrem Essen herum. „Was ist mit dir? Du hast doch irgendwas“ , bemerkt Mama. Da erzählt Marie von Anna. „Armes Mädchen“ , sagt Mama. „Das wird auch eine schlimme Zeit für Annas Mutter sein.“ Marie macht sich Sorgen um ihren Papa – und Mama. Sie will sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, einen von beiden zu verlieren. „Wenn ich an Annas Stelle wäre, würde ich Tag und Nacht immer nur weinen“ , sagt Marie leise. Mama nickt. „Weinen ist wichtig. Man muss die Trauer zulassen und sich richtig ausweinen. Manche Menschen können das nicht. Sie verdrängen das, was ihnen Schmerz bereitet. So entsteht eine große Wunde am Herzen, die nie richtig zuheilen kann“ , erklärt sie. Marie schmiegt sich angstvoll an Mama, und die beiden umarmen einander ganz fest. Eine Woche vergeht, bis Anna wieder in die Schule kommt. Sie ist ganz in Schwarz gekleidet und sieht noch blasser aus als zuvor. Die anderen Kinder sehen sie mitleidig an, wagen es aber nicht, sie anzusprechen. In der großen Pause fasst Marie Mut. Sie geht ganz einfach zu ihr hin und sagt: „Du, wir haben gehört, was in deiner Familie passiert ist. Das tut uns allen sehr leid. Weißt du was? Ich kann dir helfen nachzu- lernen, was du letzte Woche in der Schule versäumt hast. Wenn du willst, kannst du am Nachmittag zu mir nach Hause kommen.“ Da lächelt Anna zum ersten Mal wieder. Christine Rettl 30 35 40 45 50 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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