Lasso Lesebuch 4, Schulbuch

Durch das Jahr 158 Am Montag marschiert die Oma schnurstracks zu dem kleinen Reisebüro in der Berndorfergasse. Ein junger Mann mit Nickelbrille steht hinter dem Ladentisch. Die Oma steuert auf ihn zu. „Guten Tag“ , sagt sie mit einer Stimme, die ihr ganz fremd vorkommt, „ich möchte im Juli ans Meer – eine Woche oder zwei.“ „Für diesen Sommer sind Sie schon spät dran“ , sagt der junge Mann. „Aber für Nordafrika hätte ich noch ein paar freie Plätze.“ „Nordafrika“ , haucht die Oma. „Du meine Güte!“ „Warum nicht?“ , sagt der junge Mann ruhig. „Zwei Stunden Flug, und sie sind drüben.“ Die Oma wandert durch ihre Wohnung. Der Sturm in ihrem Inneren will sich nicht legen. „Afrika? Ich? Bin ich übergeschnappt? Eine verrückte Alte bin ich – aber, wenn man’s genau nimmt, schade ich ja niemanden. Lotte und Erich und die Kinder sind dann sowieso in Griechenland. Dort brauchen sie mich nicht. Der junge Mann vom Reisebüro wird sich um mich kümmern. Er wird alles für mich erledigen. Er wird mich anrufen.“ Mit den geheimen Flügeln, die ihr gewachsen sind, will sie nicht zum Mond fliegen. Aber die Flügel machen die Oma mutig. In ihren Kleider- schrank zieht ein Sommerkleid ein, es ist hellgrün. Dazu kommen eine Woche später noch zwei freundliche Kleider, ein sportliches Leinenkos­ tüm und weiße Blusen mit kurzen Ärmeln. Dazu kauft die Oma leichte Schuhe und Sandalen. Sie kauft einen Koffer und eine Reisetasche. Sie kauft einen Sonnenhut und einen Badeanzug. Daheim versteckt sie ihre Schätze. Oma freut sich auf ihre Reise und das Meer. Endlich ist der Tag der Abreise gekommen. Um 20 Uhr geht die Maschine in Richtung Afrika, in Richtung Meer. Die Flugreise ist aufregend, aber alles klappt gut. Es ist schon dunkel, als die Oma mit dem Bus im Hotel ankommt. Sie kann das Meer nicht sehen. Aber sie hört es, als sie die Balkontür aufschiebt. Die Oma steht ganz still. Den Kopf geneigt, lauscht sie hinaus. 110 115 120 125 130 135 140 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv