Lasso Lesebuch 4, Schulbuch
Durch das Jahr 159 Als sie erwacht, ist es taghell. Wie elektrisiert fährt sie hoch und schwingt die Beine aus dem Bett. Barfuß stürzt sie auf den Balkon, mit offenen, zerrauften Haaren. „Das Meer!“ , sagt sie freudig erschrocken. Sie sagt es nochmals. Nur leiser, fast flüsternd. „Das Meer!“ Rasch schlüpft sie in das erstbeste Sommerkleid und steckt ungeduldig ihren Haarknoten fest. Sie hastet die Treppe hinunter und eilt quer durch die Hotelhalle und den Garten. Sie marschiert durch gelben, tiefen Sand. Näher kommt sie dem Meer, ein salziger, frischer Wind fährt ihr ent gegen. Sie atmet ihn ein, mit weit offenem Mund. Die Oma schlüpft aus den Sandalen und klemmt sie unter den Arm. Schaum knistert über den Sand. Draußen hat das Meer eine mächtige Stimme. Hier flüstert es, hier spielt es lustig mit leeren Schnecken häusern. Die Oma ist am Ziel. Sie lässt die Tasche und die Sandalen am Ufer zu- rück, rafft den Rock ihres Kleides und geht einen Schritt ins Meer hinein. „Schau einmal, was tut die Frau? Sucht sie etwas?“ , fragt ein Bub. „Schau, Papa, die Frau unten am Strand!“ „Kann ja sein, dass sie etwas verloren hat“ , ist die Antwort. Aber die Oma hat nichts verloren. Sie greift einfach nach den Wellen. Wieder und wieder. Die Oma gibt dem Meer die Hand. Vera Ferra-Mikura 145 150 155 160 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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