Lasso Lesebuch 4, Schulbuch

Keiner lebt allein 18 Und als der Pauli endlich seine zwei Toasts zizerlweise vom Teller in den Magen expediert hatte und sagte, dass er sich jetzt noch ein kleines Joghurt-Dessert genehmigen werde, und den Eisschrank nach einem Fruchtjoghurt durchsuchte, platzte ihr der Kragen. „Du legst es drauf an, mich in Weißglut zu bringen!“ , rief sie und sprang auf. „Ich geh jetzt!“ Und schon war sie zur Küchentür draußen und eine Sekunde später knallte die Wohnungstür ins Schloss. „O du Hölle, so etwas von schief gewickelt“ , seufzte der Pauli, stellte entsagend das Himbeer-Joghurt in den Eisschrank zurück, schnappte im Vorzimmer seinen Wohnungsschlüssel und jappelte hinter der Rosi her. An der Ecke vor der Straßenbahnhaltestelle holte der Pauli die Rosi ein. „Seit wann verstehst du denn keinen Spaß mehr?“ , fragte er. „Seit ich merke, dass du mich nicht ernst nimmst“ , sagte die Rosi. „Über alles, was ich mir ausdenke, machst du dich lustig. Ich soll immer nur hinter dir her hampeln. Aber ich bin nicht dein Schasquastl!“ Hätte nicht viel gefehlt und die Rosi hätte richtig zu heulen angefangen. Eine weinende Rosi hatte der Pauli zum letzten Mal im Kindergarten gesehen. „Aber Rosi, aber ich ... aber ...“ , stotterte er total zerknirscht. Am liebsten hätte er die Rosi gestreichelt, aber er war sich nicht sicher, ob sie damit einverstanden wäre. So gab er ihr bloß, weil sie Tränenrotz durch die Nase hochzog, ein Taschentuch. Die Rosi schnäuzte sich ausführlich. „Geht schon wieder“ , sagte sie und warf das zerknüllte Taschentuch in den Papierkorb an der Stange von der Haltestellentafel. Dann kam die Straßenbahn und die Rosi und der Pauli stiegen ein und setzten sich auf die Bank beim Ausstieg. Der Pauli legte einen Arm um Rosis Schultern und sagte, obwohl es ihm nicht leicht fiel: „Ich wünsche dir wirklich, dass du recht behältst.“ Christine Nöstlinger 35 40 45 50 55 60 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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