Lasso Lesebuch 4, Schulbuch
Entdecken – wissen – können 83 „He, was steht du da so herum? Hilf mir lieber beim Aufräumen!“ Eine laute Stimme riss Friedel aus seinen Gedanken, und er sah, dass sein Meister bereits die Hälfte des Papiers vom Boden aufgehoben hatte. „Ich komme ja schon“ , murmelte Friedel und machte sich ebenfalls an die Arbeit. Dabei fragte er sich jedoch, wie Gutenberg seinen Schulden- berg jemals loswerden wollte, denn die hohen Ansprüche, die der Meis ter an sein Werk stellte, ließen schnelle Erfolge nicht zu. Wenn ein Buchstabe falsch gesetzt, die Druckerschwärze nicht gleich- mäßig verteilt oder gar eine Falte im Papier war, zerriss Gutenberg die Seiten vor den Augen seiner Mitarbeiter: „Wir müssen uns an den handgeschriebenen Büchern messen lassen, die in den Schreibstuben der Klöster angefertigt werden. Erfolg werden wir nur haben, wenn wir besser und genauer arbeiten als die Mönche und Nonnen.“ Mehr als einmal hatte Gutenberg mit seinen Anforderungen die Mitarbeiter in die Verzweiflung getrieben. Während Friedel seinen Gedanken nachhing, kroch er auf allen vieren, um die Lettern vom Boden aufzusammeln. Dabei blieben seine verschlis- senen Leinenhosen bei jeder Bewegung in der zähflüssigen Druckerfarbe kleben. „So eine verfluchte Sauerei!“ , schimpfte er gerade, als die Gesellen Arthur und Gustav in die Druckerei kamen. „Friedel, fluchst du etwa schon …“ , brachte Arthur gerade noch heraus, bevor es ihm die Sprache verschlug. Mit offenem Mund starrte er das vor ihm liegende Chaos an. „Heilige Mutter Gottes! Hier war der Teufel selbst am Werk!“ , rief Gustav und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Wir hatten heute Nacht Besuch“ , sagte Gutenberg bedrückt, während er begann, die ersten Metalllettern wieder in die Setzkästen zu sortieren. „Und es sieht ganz so aus, als ob jemand unsere Arbeit behindern will.“ „Immerhin ist nichts gestohlen worden“ , fügte Friedel hinzu, um die Stimmung ein wenig aufzubessern. „Aber wer tut so etwas?“ , fragte Arthur und blickte seinen Meister mit herunterhängenden Schultern an. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Friedel zum Brunnen in den Innen- hof. Dort ließ er frisches Wasser in einen Holzbottich laufen. 85 90 95 100 105 110 115 Nur z Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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