Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

225 2.3 Begriffe, Begriffsbildung, Begriffsgeschichte Sie sehen also, dass Philosophie sehr viel mit Sprache zu tun hat. Es geht nicht um die Dinge als solche , auch wenn manche das annehmen, sondern um mehr oder minder vernünftige Aussagen über sie. Deshalb stehen auch nicht Gegenstände, sondern Begriffe im Zentrum philosophischen Interesses. Was von einem Begriff zu erwarten ist, hängt bereits sehr stark davon ab, welche philosophischen Erkenntnismöglichkei- ten angestrebt oder für erreichbar gehalten werden. Fürs Erste wird es hinreichen zu sagen, dass Begriffe sprachliche Hervorbringungen sind, die Vorstellungen und Überlegungen zu einem bestimmten Thema bündeln und verallgemeinerungsfähig machen. Die entsprechenden Vorstellungen und Merkmale werden in einen sinnhaften, also nicht willkürlichen oder absurden, sprachlichen Zusammenhang gebracht. Meistens beanspruchen Begriffe, etwas Allgemeines auszusagen (Allgemeinbegriffe). Beispielsweise sollen Definitionselemente des Begriffs Haus auf alle so bezeichneten Gegenstände zutreffen und nicht bloß auf das Haus von Frau/Herrn X. Ob damit aber eine wesenhafte Idee des Hauses bezeichnet wird, die menschlichem Denken vorausgeht, oder ob wir es einfach mit einer Samm- lung menschlicher Vorstellungen zu einem als Haus bezeichneten Ding zu tun haben, hängt sehr von den philosophischen Grundannahmen ab, die jeweils vertreten werden. Daneben werden in der Logik auch Individualbegriffe diskutiert, wie etwa Eigennamen, doch es ist strittig, ob in diesem Fall überhaupt die Rede von Begriffen sein kann. Letztlich ist es kennzeichnend für Begriffe, dass sie Verallgemeinerungen vornehmen, wie vorsichtig dabei auch immer zu Werke gegangen werden mag. Wie entstehen Begriffe? Auch philosophische Begriffe werden in der Regel sehr selten völlig neu erfunden. Meist wird auf bereits vorhandene philosophische oder wissen- schaftliche Verwendungen zurückgegriffen, desgleichen auf alltagssprachlichen Gebrauch. Allerdings erfolgt im Rahmen philosophischer Begriffsbildung zumindest eine kritische Betrachtung vorgefundener Begriffe. Diese werden gewissermaßen auseinandergenommen, in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, historisch beleuchtet und sprachlich analysiert. Woher kommt ein Begriff und wie wurde er dort, woher er gekommen ist, genau verwendet? Wie genau und differenziert beschreibt er, was er zu beschreiben vorgibt? All diese Fragen fließen in ein Verfahren ein, das entspre- chend seinem Inhalt als Begriffskritik bezeichnet wird. In diesem Zusammenhang spielt auch die Begriffsgeschichte eine große Rolle. Für alle, die keine ewige Gültigkeit philosophischer oder anderer Begriffe annehmen, sondern deren Veränderlichkeit, ist es essentiell zu verstehen, welchen Gebrauch ein Begriff im Lauf der Zeit erfahren, wer ihn geprägt und wer ihn wie verwendet hat. Dass beispielsweise Weltanschau- ung , ein heute eher unauffälliger Begriff, aus dem Vokabular des Nationalsozialismus stammt, könnte doch Vorsicht bei der Verwendung anraten lassen oder zumindest die Frage aufwerfen, wie man ihn genau verwenden will. In jedem Fall steht am Ende der begriffskritischen Reflexion eine Begriffsbestimmung für die weitere Verwendung im Rahmen philosophischen oder wissenschaftlichen Arbeitens. Diese Definition muss den vorangegangenen Reflexionsprozess einfangen und muss so genau wie möglich, dabei doch so offen wie nötig ausfallen. Definitionen sind also Arbeitsinstrumente und Mittel der Verständigung mit anderen, sie sind hingegen keine Dogmen. GrundlaGen úú Kapitel 7.2 Begriff von begreifen im Sinne von „umfassen, enthalten“ Eine kurze Einführung Eine kurze Einführung 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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