Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
229 Primzahl“ aussagenlogisch richtig. Primzahlen sind definitionsgemäß all jene natürli- chen Zahlen, die größer als 1 und nur durch sich selbst oder durch 1 teilbar sind. 6 ist außer durch sich selbst und 1 auch durch 2 und durch 3 teilbar. Also ist 6 keine Primzahl. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Diskutieren Sie gemeinsam die Aussage des Aristoteles! Fordert er, wir sollten irgend welchen Behauptungen ungeprüft Glauben schenken? Oder tut er das nicht? Recherchieren Sie, mit welchen Themen sich Logik heute beschäftigt und welche Verfahrensweisen dafür herangezogen werden! Stellen Sie Ihre Ergebnisse in einer Übersicht zusammen! 2.5 Textinterpretation Heute spielt auch philologisches Arbeiten, also eine möglichst genaue und sachkun- dige Arbeit mit Texten, eine wichtige Rolle im Bereich philosophischer Methoden. Wie im wissenschaftlichen Bereich auch, kann kein Philosophieren stattfinden ohne Bezugnahme auf die Überlegungen anderer Autorinnen/Autoren, die früher oder auch zeitgleich zu ähnlichen Fragen wie den jeweils gerade behandelten Stellung genom- men haben. Auch kann der historische Kontext eines Textes nicht gut ausgeblendet werden. Um angemessen auf andere Texte Bezug zu nehmen, ist es unabdingbar, sie auch genau zu lesen und auf ihre Voraussetzungen hin zu untersuchen. Weil es dabei immer um irgendeine Form von Verstehen geht, wird für solche Verfahren sowohl in den Literaturwissenschaften als auch in der Philosophie der Begriff Hermeneutik verwendet. Im Rahmen der philosophischen Hermeneutik des späten 20. und frühen 21. Jahrhun- dert erlangten die Überlegungen von Paul Ricoeur, Hans-Georg Gadamer oder Hans Blumenberg großen Einfluss. Allerdings fanden auch sprachwissenschaftliche und sprachphilosophische Überlegungen Eingang in die hermeneutische Diskussion, insbesondere die Überlegung, dass sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten selbst immer im Fluss sind und unmittelbaren Einfluss darauf ausüben, was überhaupt ausgesagt oder erklärt werden kann. So verweist jeder Text implizit auf andere Texte (Intertextualität), er ist in Zusammen- hänge (Kontexte) eingebettet, enthält Bedeutungsebenen, die nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, wohl aber anklingen (Subtexte), und zahlreiche Leerstellen, von denen der/die Autor/in erwartet, dass die Leser/innen sie füllen. Zu den Leerstel- len zählen schon die meisten Übergänge zwischen Sätzen; sie zu füllen setzt aber ein Kontext- und Weltwissen voraus, dass je nach zeitlichem und kulturellem Rahmen höchst unterschiedlich ausfällt. Subtexte zu erkennen und nicht einfach willkürlich in einen Text hineinzulesen ist ebenfalls eine hohe Kunst. Mithin ist präzises und ambitioniertes philologisches Arbeiten heute untrennbarer Bestandteil philosophischer Tätigkeit. Diese erschöpft sich allerdings nicht in der kritisch-analytischen und genauen Lektüre von Texten, sondern geht darüber hinaus, indem sie Argumente prüft, weiterführt und eigene Positionen entwickelt. 2 t 3 GrundlaGen Hermeneutik von gr. hermeneúein , „erklären, übersetzen“; der Begriff bezeichnet unterschiedliche Verfahren kritischer Textinterpretation. Für die neuzeitliche Hermeneutik wegweisend wurde Baruch de Spinozas „Tractatus theologicopoli ticus“ (1670), der eine philosophischphilologi sche, also nicht theologi sche oder religiöse Lesart biblischer Texte entwickelte. úú Kapitel 2.2.1 Eine kurze Einführung Eine kurze Einführung 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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