Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
231 2.6 Philosophie und Wissenschaft(en) Der Überblick über philosophische Methoden in den vorangegangenen Abschnitten hat deutlich werden lassen, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen philosophi- schem und wissenschaftlichem Arbeiten gibt. An der Bildung brauchbarer Begriffe wird da wie dort gearbeitet, Argumente sind für philosophisches wie für jedes wissenschaftliche Arbeiten wichtig, desgleichen logische Verfahren und Schlussfolge- rungen. Die Bedeutung philologischen Arbeitens teilt die neuere Philosophie mit den Litera- tur- und anderen Geistes- bzw. Kulturwissenschaften, etwa der Geschichtswissen- schaft. Mit anderen empirisch verfahrenden Wissenschaften, insbesondere den Natur- und Sozialwissenschaften berührt sich die Philosophie im Zusammenhang mit der Modellbildung, die in der Philosophie Ausdruck in der Auseinandersetzung mit Begriffen und Sätzen findet. In dieser Hinsicht ist sie auch der Mathematik sehr nahe. Anders als die meisten Wissenschaften wirft die Philosophie allerdings stets sehr grundsätzliche Fragen auf, auch solche, die Wissenschaften und Wissenschaftskultu- ren betreffen. Sie bewegt sich insofern auf einer Metaebene , wobei der Vorsilbe (dem Präfix) meta- in diesem Zusammenhang die Bedeutung über- zukommt. Sie stellt grundsätzliche Fragen nach den Möglichkeiten von Wissen und Erkenntnis überhaupt, wie wir anhand von Descartes’ methodischem Zweifel exemplarisch gesehen haben. Diese Fragestellungen finden sich gebündelt in Bereichen, die als Erkenntnistheorie (Epistemologie) und Wissenschaftstheorie bezeichnet werden. In beiden Fällen handelt es sich um philosophische Teildisziplinen. In der Welt akademischer Diszipli- nen haben sie zum Teil bereits ein Eigenleben entfaltet und sich von der Philosophie entkoppelt, ihrem Gehalt nach sind sie aber philosophische Fächer. Wissenschaftstheoretische Fragen kreisen um Voraussetzungen und Möglichkeiten von Wissenschaft ganz allgemein. Was kann Gegenstand von Wissenschaft sein? Mit welchen Mitteln lässt es sich überhaupt erörtern? Welche Voraussetzungen machen Wissenschaften überhaupt, welche unhinterfragten Grundannahmen werden in Anspruch genommen und warum? Insgesamt bewegt man sich in diesem Bereich also innerhalb des sehr weiten Rahmens, den die Kantische Frage „Was kann ich wissen?“ aufgeworfen hat. Viele Theorien und Modelle (also das, worauf jede Wissenschaft, aber auch Philoso- phie aufbaut und was sie ausmacht) können nicht abschließend und endgültig bewiesen werden. Das müssen sie auch nicht. So hat etwa Karl Popper darauf hingewiesen, dass man sie als gültig ansehen könne, solange sie nicht falsifiziert , also widerlegt seien. Das entlastet vom Anspruch einer absoluten Wahrheit, zugleich macht es jede wissenschaftliche oder philosophische Aussage zu einer vorläufigen, die nur so lange gilt, bis sie widerlegt wird. GrundlaGen Falsifizierbarkeit und Falsifikation Nach Karl Popper steht jede wissenschaftliche Aussage unter dem Anspruch falsifizierbar zur sein. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Es gilt die Hypothese, dass alle Raben schwarz sind so lange, bis ein weißer Rabe auftaucht. Sie kann also grundsätzlich falsifiziert werden, sie gilt nicht absolut, apodiktisch und ein für allemal unbestreitbar. Sobald ein weißer Rabe beobachtet werden kann, ist die Hypothese dann tatsächlich falsifiziert. Wir werden uns dieser Thematik in Kapitel 7 noch genauer zuwenden. Eine kurze Einführung Eine kurze Einführung 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv
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